Unentschieden und das Unheil fest im Blick

imageWer gestern meine Geschichte über die Entscheidung am Albristhorn gelesen hat, lächelte vielleicht ein bisschen. Der Entscheidercoach ist auch nur ein Mensch und entscheidet ganz normal. 🙂

Wir sind lernfähig und daher würde ich heute natürlich auch anders damit umgehen als in jenem September 2004.

Schauen wir uns zunächst einmal an, aus welcher Perspektive ich den Text geschrieben habe. Schreibt so ein Macher und Lebensge­stalter? Wohl kaum! Meine Rolle ist zwar nicht unbedingt positiv, aber ich schiebe die Verantwortung doch klar auf Dr. No. Das ist immer ganz praktisch, aber es bringt uns nicht weiter.

Die gefährliche Rolle des Mitläufers

Tatsache ist, dass ich mehr oder weniger mitgelaufen bin. Ich war nicht unbedingt begeistert eine Bergtour mit jemanden zu machen, den ich nicht als rücksichtsvoll oder bedacht einschätzte. Daher überließ ich es anderen, die Sache voranzutreiben.

Ahnungslos und alternativenlos

Ich informierte mich auch nicht über die Wanderrouten vor Ort. Dabei wäre der Aufwand überschaubar gewesen. Ein großer Teil unserer Gestaltungsmacht liegt in Wissen und Informationen. Wir haben in jeder Situation unbegrenzt viele Handlungsalternativen. Doch oft tun wir alles, damit wir nur ganz wenige davon sehen.

Als Mitläufer ohne Gestaltungsmacht muss ich mich also nicht beklagen. Unsere heutige Gestaltungmacht ist das Ergebnis unserer vergangenen Entscheidungen.

Ohne eigene Informationen konnte ich bei der Routenwahl nicht mitreden und überließ es Dr. No, das zu entscheiden.

Ausgeschlafene Entscheidungen

Eine weitere Komponente von Gestaltungsmacht ist Zeit. Die Situation eskalierte, als uns die Zeit davonlief, bis die letzte Bergbahn die Station verließ. Die große Eile, mit der wir vom Albristhorn zur Bergstation abstiegen, kostete uns alle Reserven.

Geübte Bergwanderer wissen: Wer früh startet ist auch früh am Ziel. Eigentlich hätten wir spätestens um 12 Uhr auf dem Gipfel sein müssen. Doch da haben wir gerade erst mit den Kühen auf der Wiese gespielt, bevor der eigentliche Aufstieg beginnen sollte.

Die Profis brechen um 7 Uhr morgens zum Berg auf, aber Ausschlafen hat ja auch einen Wert, oder nicht? :mrgreen:

Später am Tag ist auch die Hitze größer. Ein Aufstieg am Vormittag ist weniger schweißtreibend als einer zur besten Mittagszeit. Unser Wasser hätte länger reichen können. Vorräte sind Ressourcen und damit ebenfalls Teil unserer Gestaltungsspielräume.

Um es kurz zu machen. Ich habe damals alles getan, um meine Gestaltungsspielräume immer weiter zuzustellen. Wir alle wissen, was passiert, wenn wir keine Gestaltungspielräume mehr haben: Wir befinden uns in einer Notlage. An einer Stelle hätte ich das erkennen  und entsprechend entscheiden können.

Die letzte Wahl

Kurz vor dem Kletterparcours zum Gipfel. Als Dr. No uns über den eigentlichen Schwierigkeitsgrad unserer Tour aufklärte. Stolz ist eine gefährliche Emotion, wenn man sich mit den Kräften der Natur anlegt. An dieser Stelle hatte ich noch eine Wahl. Keine begeisternde, aber zu diesem Zeitpunkt war noch alles offen.

Auf dem Gipfel selbst war es unerheblich, welche Entscheidung wir trafen. Denn auch der Rückweg über die Kletterstrecke hätte uns zu dem Zeitpunkt nicht vor einem ähnlichen Ende bewahren können.

Gipelstürmer im Büro

Für diese Erkenntnis muss man nicht Bergwandern.

Auch im Büro geht es um unsere zukünftigen Gestaltungsspielräume. Auch im Büro wissen wir oft nicht, was wir selbst wollen und überlassen anderen die Entscheidung. Auch im Büro gehen uns irgendwann die Gestaltungsspielräume aus und auch im Büro geraten wir dann in eine Notlage. 😮

4 Kommentare
  1. Artur
    Artur sagte:

    Dass man die Geschichte auch aufs Büro oder Geschäft übertragen kann, darauf bin ich dann auch noch gekommen 😉

    Grüße aus Boxberg

    Artur

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  2. Tanja Handl
    Tanja Handl sagte:

    @ Kai-Jürgen: Das stimmt natürlich, aber ich habe im Büro noch kein Erlebnis gehabt, bei dem es wirklich um Leben und Tod gegangen wäre. Beim Bergsteigen kann das durchaus mal der Fall sein, je nachdem, wie intensiv man diesen Sport betreibt.

    Antworten

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