FIFA Blutgrätsche
Wenn Lionel Messi auf das gegnerische Tor stürmt, fängt Diego Maradonas Herz an, schneller zu schlagen. Zum einen aus Begeisterung, weil vermutlich gleich ein Tor fallen wird und zum anderen aus Angst, dass ein rustikaler Verteidiger den teuren Spieler zu Fall bringt.
“Fußball ist ein kampfbetonter Sport”, wie Günter Netzer nicht müde wird, zu betonen. Allerdings haben sich die Verhältnisse gegenüber Netzers Zeiten entscheidend verändert. Fußballvereine sind Wirtschaftsunternehmen in der Unterhaltungsbranche. Ihre Akteure verdienen nicht selten mehr als die Stars in Hollywood.
Reserven für den Titelgewinn
Was passiert, wenn Messi oder Christiano Ronaldo nach einem Foul mehrere Monate lang verletzt ausfallen? Tragisch für die WM, aber dramatisch für ihren Verein. Denn die Millionengehälter fallen an, ohne dass ihre Empfänger einen entsprechenden Nutzen abliefern.
Inter Mailand soll in den Gewinn der Champions League 700 Millionen Euro an Ablösen und Gehältern investiert haben. Wirtschaftlich kann das kaum sein. Denn zahlreiche hochbezahlte Spieler sitzen dort ganzjährig auf der Bank.
Wie hierzulande ein FC Bayern es sich leistet, einen Miroslav Klose in Reserve zu halten, machen das die anderen Spitzenklubs in Europa auch.
Das Kalkül: Wenn ein Superstar verletzt ausfällt, haben wir immer noch einen Star, der nachrücken kann.
Für die Füße
Mann stelle sich vor: Die Commerzbank zahlt der Deutschen Bank 100 Millionen Euro Ablöse, um Josef Ackermann zu verpflichten. Dafür sitzt er die kommenden Jahre an einem Fenster und hält sich für den Fall bereit, falls Marin Blessing aus gesundheitlichen Gründen ausfallen sollte. 😯
Natürlich wird das nicht passieren. Denn der Aufsichtsrat der Commerzbank würde vermutlich sagen, dass dieses Konzept für die Füße ist. Genauer gesagt für Fußball. 😛
Pay me to the moon!
Erfolgreiche Vereine wie Inter Mailand, FC Bayern und der FC Barcelona können es sich offensichtlich leisten, den Fußballstars Mondgehälter zu bezahlen. Andere Vereine können das nicht und schauen in die Röhre.
Allerdings können sie sich wehren. Eine kleine Blutgrätsche und das gegnerische Team ist in den nächsten Spielen 10 bis 20 Millionen Euro weniger wert.
Die Rache des kleinen Vereins
Unter den Vereinen ist das die Rache des kleinen Mannes. Doch im Grunde ist es die Folge eines Systemfehlers.
Vermutlich haben die Spieler in den kleinen Vereinen auch keine Lust, ihre überbezahlten Kollegen auf dem Feld umzuhauen. Sie erfüllen den Auftrag ihres Trainers. Denn jeder möchte sich im Spiel so teuer verkaufen wie möglich.
Wenn der eigene Verein den Ruf hat, zu den schlimmen Holzern der Branche zu gehören, entsteht auf der teuren Gegenseite so etwas wie Respekt.
Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) heißt es für § 823 (1):
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
Mit anderen Worten, würde in der Bundesliga dieser zentrale Paragraph unsers Bürgerlichen Gesetzbuches gelten, wäre dieser Respekt ziemlich teuer. Denn wenn ein Ballack für einige Wochen in der Saison ausfällt, müsste der Verursacher FC Portsmouth einige hunderttausend Euro Schadensersatz leisten.
Das passiert aber nicht. Und deshalb ist die einzige Bremse derlei rüden Verhaltens ein kleines Kartenspiel in der Brusttasche des Schiedsrichters. Damit gibt es beim Fußball lediglich ein Strafgesetz, aber kein Zivilgesetz.
Abschied vom Foulspiel
Das will dem unbedarften Zuschauer nicht ganz einleuchten. Denn wenn ein terminales Foul zu hohen Kosten führte, verschwände es aus dem Repertoire der Vereine.
Denn damit kann keiner langfristig kalkulieren. Oder dürfen wir uns folgende Szene vorstellen? Der Controller des Vereins kommt vor dem Spiel noch einmal in die Kabine:
“Wir liegen gut im Budget. Ihr dürft in diesem Spiel also den Messi umhauen…”
Zivilrechtliche Ansprüche würden böse Fouls also viel besser vermeiden als die Drohung durch gelbe und rote Karten.
Cui Bono
Interessanterweise würden durch mögliche Zivil-Ansprüche auch die Preise für Top-Fußballer fallen. Denn die Top-Vereine bräuchten auf der Bank weniger Reserven. Die Nachfrage fällt und damit die Preise.
Somit gäbe es also auch mehr Vereine, die sich leisten könnten, hochklassigen Fußball mit hochklassigen Spielern zu spielen. Die Konkurrenz nähme also zu.
Und jetzt wissen wir auch, warum in der FIFA niemand ein Interesse an Schadensersatz für böse Fouls hat. Die armen Vereine fürchten die Pleite und die reichen Vereine um ihre Vorherrschaft.
Daher bleibt alles beim alten.
Tooor!