Machtlos und kein Raum zum Spielen
Die meisten Entscheider wissen, dass Gestaltungsspielräume Entscheidungen erleichtern.
Solche Räume tun sich auf, weil wir beispielsweise über die richtigen Kontakte verfügen, das nötige Kleingeld haben oder einfach den richtigen Pass. Weitaus weniger Menschen machen sich bewusst, dass unsere heutigen Entscheidungen die zukünftigen Gestaltungsspielräume schaffen.
Das durfte gestern auch meine Frau erleben. Sie ist „Director“ bei einer internationalen PR-Agentur in Frankfurt. Sie reist daher auch hin und wieder ins Ausland. Obwohl wir seit 12 Jahren verheiratet sind, hat sie ihre südafrikanische Staatsbürgerschaft behalten.
Im Schengen-Bereich der EU behindert sie das nicht, weil sie aufgrund ihrer permanenten Aufenthaltserlaubnis frei reisen kann. Für die USA braucht sie ein Visum, wie wir Deutsche ja auch. Also kein Thema.
Gestern wollte Sie zu einem Seminar nach London fliegen und stellte fest, wie klein Gestaltungsspielräume trotz Top-Kontakten werden können. Denn England nimmt nicht an Schengen teil. Bisher konnte sie dort ohne Probleme einreisen, weil Südafrika zum Commonwealth – dem Verbund der früheren Kolonien- gehört. Zum 3. März haben die Engländer das jedoch geändert. Südafrikaner brauchen jetzt ein Visum.
Also stand meine Frau am Frankfurter Flughafen und Lufthansa wollte sie nicht mitnehmen. In England bemühten sich viele nette Menschen, das Unmögliche doch noch möglich zu machen. Am Ende blieben die Beamten von „Border Control“ völlig unbeeindruckt bei ihrem „no exceptions“ – keine Ausnahmen. Meine Frau hatte also keinen Spielraum, die Dinge in der Gegenwart zu verändern.
Regeln lassen sich nicht immer brechen
Wer zu enge Gestaltungsspielräume hat, kann das im hier und jetzt nur ändern, indem er massiv Regeln bricht. Für die Zukunft heißt das oft, dass der Gestaltungsspielraum dann abnimmt. Wenn die Regeln allerdings durch Gesetze bestimmt sind, gibt es meistens keine legalen Wege, sie zu brechen.
Gestaltungsspielräume für die Zukunft
Hätte meine Frau vor ein paar Wochen gewusst, dass sie ein Visum brauchen würde, dann hätte sie gestern eines im Pass gehabt und ihr Gestaltungsspielraum wäre so groß gewesen, dass er ihr noch nicht einmal aufgefallen wäre. Das ist meistens so. Freiheit fällt immer erst ins Gewicht, wenn wir sie nicht haben.
Was heißt das für uns Entscheider?
Wer heute keine Gestaltungsmacht oder -spielräume hat, ist selbst schuld daran. Es gibt keine anonyme Macht, die uns daran hindert, uns Kontakte zu schaffen, Geld zu sparen, uns weiterzubilden, zu bewerben, etc. Je mehr Zeit wir haben, desto länger ist der Hebel, an dem wir sitzen. Wer heute viele Gestaltungsspielräume braucht, sollte bereits vor Jahren mit ihrem Aufbau begonnen haben. Wenn sie nicht da sind, hilft kein Lamentieren. Wir allein tragen die Verantwortung und können das für die Zukunft ändern.
Für die Zukunft vorsorgen
Sparen Sie ihre Kräfte und rotieren Sie nicht in der Gegenwart, wenn sie aufgrund fehlender Gestaltungsmacht Ihre Ziele nicht umsetzen können. Entweder Ihnen kommt eine sehr gute Idee, wie Sie die Regeln ohne Schaden für sich brechen können, oder Sie konzentrieren sich lieber auf den Aufbau Ihrer zukünftigen Gestaltungsspielräume. Dann klappt es morgen auch mit der Umsetzung Ihrer Ziele.
Meine Frau jedenfalls wird gleich heute ein Visum für England beantragen.
Wer gesetzliche Regeln bricht und sich dabei erwischen lässt, verringert seinen Gestaltungsspielraum im Extremfall auf wenige Quadratmeter – immerhin Vollpension 🙂
Ansonsten stimmt es schon, wer keinen Spielraum hat, hat sich nicht darum gekümmert einen zu bekommen. Manchmal ist das aber gar nicht so einfach, denn das vermeintliche Schaffen eines Spielraumes kann sich hinterher als falscher Weg erweisen – da spart man sein Leben lang für den Spielraum im Alter und dann geht Lehmann pleite 🙂
Obwohl man sich ja besser hätte informieren können …
Grüße aus dem Spiel-Raum
Gerhard Zirkel
Sie haben recht! Allerdings bestehen Gestaltungsspielräume aus Räumen und nicht Punkten. Was für mich als Entscheider bedeutet, dass ich nie alles auf ein Pferd setze, sonden eben Räume zwischen verschiedenen Aktivitäten spanne.
Damit schaffen wir uns die Flexibilität, die wir brauchen, weil wir die Zukunft ja nicht kennen.
Allerdings stelle ich immer wieder fest, dass die Gestalter mit einem klaren Bild von Ihrer Zukunft sich durch momentane Petitessen wie eine weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise kaum beeindrucken lassen.
Im Gegenteil: Endlich bekommen sie die Mitarbeiter, die sie schon die ganze Zeit händeringend gesucht haben und deren Forderungen sind auch nicht so astronomisch, wie noch vor einem Jahr. Repräsentative Räume in bester Lage sind preiswert, wie schon lange nicht mehr, Werbeplätze in den Medien haben Ausverkauf. Da leben manche Unternehmer erst richtig auf. 🙂
Klar ist: Genau jene haben morgen Gestaltungsspielräume, die alle anderen auch gerne hätten. Da sie aber jetzt die Hände in den Schoß legen, sieht es morgen eben mau aus. 🙁
Repräsentative Räume in bester Lage sind preiswert? – können Sie das mal den Münchern Vermietern sagen? 🙂
Aber stimmt schon, wer jetzt richtig handelt hat später einen Vorteil. Das Problem ist wirklich die momentane Zurückhaltung – lieber nichts tun, nichts riskieren, wer weiß schon was kommt.
Da kann man den Leuten noch so genau sagen was kommen wird – nämlich bessere Zeiten – sie glauben es nicht und suhlen sich förmlich in ihrer selbst eingeredeten Handlungsunfähigkeit – machen scheint das regelrecht Spaß zu machen.
Aber das verschafft den wenigen de jetzt aktiv werden später einen Vorteil, vorausgesetzt sie handeln auch weiterhin.
Gerhard Zirkel
Ob bessere oder schlechtere Zeiten kommen, spielt zunächst einmal keine Rolle. Denn wir Unternehmer müssen mit beidem umgehen können. Die aktiven Unternehmer haben es jetzt sogar erheblich leichter die Konkurrenz zu verdrängen, als in guten Zeiten.
„Schlechte Zeiten“ decken die Schwächen eines Geschäfts nur viel schneller und gnadenloser auf als in „Guten Zeiten“.
Die Grundlage für die großen Vermögen der traditionellen Wirtschaft wurde häufig in Krisenzeiten geschaffen.
Im Computer- und Internet-Zeitalter trifft das vielleicht nicht so zu. Weder Microsoft noch Intel, noch Google sind Unternehmen, die aus einer Krise entstanden sind.
Das heißt jedoch nicht, dass es es nicht funktonieren würde, sondern dass die Gestaltungsspielräume 🙂 heute generell größer geworden sind.
Ich bin mir nicht sicher, ob die Gestaltungsspielräume heute für alle wirklich größer geworden sind.
Aber selbst wenn manche jetzt mit weniger Gestaltungspielräumen auskommen müssen, liegt das sicher an früheren Entscheidungen.
Wer beispielsweise in guten Zeiten extrem auf Effizienz gesetzt hat und Sicherheit und Belastbarkeit nicht so wichtig fand, hat vielleicht gerade jetzt, durch die fehlende Belastbarkeit weniger Gestaltungsspielräume.