Personalentscheider: Auswahlkriterien bei der Bewerbung

Rätsel FragezeichenEin Gastbeitrag von Karrierebibel-Autor Jochen Mai Das ist schon ein bisschen ärgerlich. Da investieren nicht gerade wenige Bewerber Stunden in ihre Bewerbungsunterlagen: das Anschreiben, den Lebenslauf, recherchieren Ansprechpartner und Infos über das Unternehmen, feilen an Formulierungen und am Design. Und dann nehmen sich die Personalverantwortlichen kaum mehr als fünf Minuten Zeit, um eine Bewerbung zu analysieren, so das Ergebnis einer Studie des ICR Recruiter Survey. Fünf Minuten! Wie kann man da eine solide Entscheidung treffen? Sagen wir so: Die Frage ist so womöglich falsch gestellt und auch wenig hilfreich. Ob professionelle Recruiter das können oder nur glauben, das zu können, wird das Problem nicht lösen. Viel entscheidender ist: An welchen Kriterien machen Sie Ihre Entscheidung am Ende fest? Oder anders gefragt: Welche Fehler lassen sich vermeiden, um sich selbst nicht vorzeitig aus dem Rennen zu kicken?

Die Entscheidungskriterien der Personaler

Immer wieder gibt es Umfragen unter Personalentscheidern, was Sie eine Bewerbung sofort aussortieren lässt. Manche Prozentzahlen mögen dabei variieren, die Reihenfolge ist jedoch stets dieselbe:

  1. Mehr als zwei Tipp- und Grammatikfehler sind häufig schon das Aus für die Bewerbung.
  2. Dasselbe gilt für nicht personalisierte Anschreiben („Sehr geehrte Damen und Herren…“).
  3. Auch schlecht: Ein falscher (Firmen-)Name im Anschreiben.
  4. Ein völlig unnötiger Fehler: Die Bewerbung ist unvollständig, es fehlen Anlagen oder Lebenslauf kann aufgrund von Dateifehlern nicht geöffnet werden.

Die Erkenntnis daraus: Es sind zunächst und vor allem reine Formalismen und weniger die konkreten Inhalte, an denen Personaler festmachen, ob sie weiterlesen und den Kandidaten in Erwägung ziehen oder eben auch nicht. Zugegeben, das wirkt ein wenig kleinlich und wird den meisten Kandidaten sicher auch nicht gerecht. Die gute Nachricht daran aber ist: Formale Kriterien lassen sich mit ein wenig mehr Sorgfalt und Zeit positiv beeinflussen und damit die Bewerbungschancen effektiv steigern.

Die heimlichen Stolperfallen

Aber es gibt auch ein paar weniger bekannte und zumeist subtile psychologische Effekte, die – je nachdem – positiv oder negativ auf die Bewerbung wirken. Zu ihnen gehören:

  • Umfang: Wer eine Kurzbewerbungschickt, obwohl vollständige Unterlagen verlangt wurden oder mit einem mehrseitigen Anschreiben-Roman Zeit stiehlt, fällt ebenfalls durch. Der Rückschluss: Wer sich schon bei der Eigenwerbung nicht auf das Wesentliche fokussieren kann, schafft das später auch nicht im Job.
  • Form:Wer den Postweg wählt, obwohl ausdrücklich eine E-Mail Bewerbung erwartet wurde, beweist nicht Originalität, sondern Ignoranz und ist damit schon bei einem ersten Teamfähigkeitstest durchgefallen: Jede Organisation hat ihre eigenen Regeln, und wer mitspielen will, sollte die zuerst kennen und beherzigen.
  • Qualifikationen:Falls es sich nicht gerade um eine Initiativbewerbung handelt, stehen in jeder Stellenanzeige sogenannte Muss- und Kann-Qualifikationen. Letztere sind oft im Konjunktiv formuliert. Gut, wer sie mitbringt – muss aber eben nicht sein. Anders bei den Muss-Kompetenten: Die muss jeder Bewerber zu 100 Prozent besitzen. Alle anderen verschwenden nur Papier und die Zeit des Personalers. Tipp: Muss-Qualifikationen möglichst auffällig (z.B. fett) im Anschreiben oder Lebenslauf ansprechen.
  • Überzeugung. Der Ton macht bekanntlich die Musik. Und so nehmen auch Personaler schon im Anschreiben subtile Zwischentöne wahr, ob der Kandidat tatsächlich auch von sich selbst als Bestbesetzung überzeugt ist oder doch nur wie ein Bittsteller daher kommt. Auch hier spielen die Formulierungen eine wichtige Rolle: „Ich würde mich freuen, wenn Sie mich zum Vorstellungsgespräch einladen…“ wirkt weit weniger selbstbewusst, als „Ich freue micht, wenn wir diese Details in einem persönlichen Gespräch vertiefen können.“

Und wie wählen Bewerber Arbeitgeber aus?

Die Frage nach den Auswahlkriterien lässt sich allerdings auch umkehren: Wann entscheiden sich Bewerber für oder gegen einen Arbeitgeber? Natürlich ist auch dies immer wieder eine höchst individuelle Wahl. Doch gibt es auch dazu ein paar überraschende Umfragen und Studien. Erst kürzlich hat die Jobbörse Stepstone rund 20.000 Kandidaten online befragt, wann sie Arbeitgeber negativ bewerten, Ergebnis:

  • 74 Prozent erwarten konkrete Gehaltsangaben – schon in der Stellenanzeige.
  • 72 Prozent suchen nach Angaben zur Jobsicherheit.
  • 44 Prozent möchten nicht mehr als zwei Vorstellungsgespräche führen, 16 Prozent finden drei Gespräche gerade noch okay.
  • 42 Prozent erwarten innerhalb von einer Woche eine Rückmeldung auf ihre Bewerbung, 41 Prozent spätestens nach zwei Wochen.

Auf den ersten Blick lesen sich vielleicht auch diese Punkte wie Formalismen. Doch gehen die Ansprüche der Bewerber darüber hinaus: Dahinter steckt vor allem der Wunsch nach Transparenz und Fairness – im Bewerbungsprozess, aber auch später im Beruf. Man könnte aber auch sagen: Es ist längst das mangelhafte Vertrauen gegenüber Unternehmen und Arbeitgebern, dass aus solchen Forderungen spricht. Vielleicht auch, weil Bewerber längst wissen, dass ihnen kaum mehr als fünf Minuten Zeit bleiben, die über ihre berufliche Zukunft entscheiden…

Jochen Mai

Jochen Mai, Autor der Karrierebibel

Über den Autor Jochen Mai zählt zu den einflussreichen Namen des Social Webs. Seine Karriere begann der 44-jährige Diplom-Volkswirt bei der WirtschaftsWoche, wo er mehr als zehn Jahre lang das Ressort „Management + Erfolg“ leitete. Bekannt wurde er vor allem aber als Gründer und Chefredakteur der Karrierebibel, einem der führenden Job-Blogs in Deutschland mit zahlreichen Karriere- und Bewerbungstipps. Mai schrieb zudem einige Bestseller und ist heute unter anderem Dozent an der Fachhochschule Köln für das Fach Social Media Marketing sowie gefragter Keynote-Speaker für die Themen Social Media, Online-Reputation und Human Ressources.

2 Kommentare
  1. Fachkräftemangel
    Fachkräftemangel sagte:

    Man sollte an dieser Stelle auch beachten, dass in der heutigen Zeit sich die Bewerber die Unternehmen aussuchen. Vor ein paar Jahren war es noch umgekehrt. Der Fachkräftemangel in einigen Branchen und die damit verbundenen Auswirkungen für die Unternehmen sind stark zu spüren.

    Antworten

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