Rezension: High Probability Selling

HPS_Buch Wer sich mit der Teilnehmerstruktur von Motivationsseminaren beschäftigt, kommt zu einem erstaunlichen Ergebnis: Keine andere Berufsgruppe ist so häufig vertreten, wie Vertriebsleute. Wie kann es sein, dass Verkäufer so viel Anleitung zur Motivation brauchen?

Mit dieser Frage beginnt das Buch „High Probability Selling“. Darüber hatte ich mir noch nie Gedanken gemacht. Aber es ist nachvollziehbar. Schließlich reagieren wir alle eher reserviert, wenn uns jemand etwas verkaufen will. Der andere stiehlt uns unsere Zeit und möchte uns dazu manipulieren, etwas zu kaufen, was wir gar nicht brauchen. Diese Einstellung haben die meisten von uns und wir haben meistens recht! 😯

 

Wenn wir also selbst in Sachen Verkauf unterwegs sind, dann müssen wir uns auf unfreundliche Gesprächspartner einstellen und darauf öfter ein „Nein“ zu hören, als ein Fünfjähriger von seiner Mutter beim Einkauf. 🙁

Dabei fehlt es natürlich von vorne herein an Augenhöhe und das ist für viele Menschen schwer zu meistern. Deshalb sind Top-Verkäufer wohl auch rar gesät. Sie sind die Jäger, die überaus professionell die Beute „Kunde“ erlegen. Wer ihnen vor die Flinte gerät, kann dem konzentrierten Sympathieangriff nicht widerstehen und wird bald zum Abschluss getrieben. So möchte man meinen. Die Autoren von High Probability Selling haben aber eine anderes Verhalten festgestellt.

Die Methode

„High Probability Selling“ (HPS) fährt einen anderen Ansatz. „Statt jeden potentiellen Kunden zum Abschluss bringen zu wollen, will HPS herausfinden, ob es eine beiderseits akzeptable Basis gibt, auf der man mit dem Kunden Geschäfte abschließen kann.“

In der Praxis wird der Verkäufer damit vom Angreifer zum Torwächter. Anstatt seine Zeit mit unmotivierten Kunden zu verbringen, versucht er alle „falschen“ Kunden so schnell wie möglich zu disqualifizieren. Das zeigt sich bereits in der ersten von drei Phasen, der Kundensuche.

Am Telefon gibt der Verkäufer dem Kunden ständig die Möglichkeit, sich selbst zu disqualifizieren. Der Entscheider am anderen Ende der Leitung bekommt keinen Termin verkauft. Im Gegenteil: Ein HPS-Verkäufer vereinbart erst einen Termin, wenn der potentielle Kunde sich vorher verpflichtet.

Angenommen, der Entscheider will einen Termin. Dann fragt ihn der Verkäufer, was er mit dem Treffen erreichen will. Antwortet der Entscheider, dass er sich lediglich informieren will, wird es spannend. Denn dann macht der Verkäufer ihm klar, dass er so nicht arbeitet. Er wird nur dann einen Termin wahrnehmen, wenn es der Kunde auch kauft, sollten seine Bedingungen der Zufriedenheit erfüllt sein. Kann oder will der Gegenüber am anderen Ende der Leitung darauf nicht eingehen, dann ist er nach HPS kein Kunde. Kein Termin ohne Verpflichtung.

Das klingt auf den ersten Blick ziemlich radikal und das ist es vermutlich auch. Allerdings weiß ich aus meiner Zeit bevor ich mich als Entscheidercoach selbständig gemacht habe, wie frustrierend es sein kann, bei einem potentiellen Kunden rumzusitzen und auf den Glückstreffer zu hoffen.

Zum Glück muss ich das heute nicht mehr machen und nach der Lektüre dieses Buches würde ich es auch nicht mehr. 🙂

Im gesamten Verkaufsprozess sorgt der Verkäufer dafür, dass der Kunde sich verpflichtet. Wann immer er dazu nicht bereit ist, hat er sich disqualifiziert. Im Idealfall hat man am Ende nur noch Kunden, die sich an Absprachen halten, zufrieden sind und pünktlich zahlen.

Jetzt könnte man der Meinung sein, dass wir bei so einem Verkauf unsere Kunden nur einmal in tausend Jahren finden. Allerdings sind die Kunden offen und aufgeschlossen. Da der HPS-Verkäufer ihnen ständig die Freiheit lässt, auszusteigen. Sie merken, dass der andere ihn respektiert und ihn nicht zu etwas verleiten will.

So weit die Methodik. Ob sie funktioniert, muss wohl jeder selbst für sich ausprobieren.

Die Schreibe

High Probability Selling liest sich einfach und ist praxisorientiert. Denn die Autoren lassen den Verkäufer „Sal“, der in einer neuen Firma anfängt, Schritt für Schritt die neue Methodik erlernen. Seine Fragen könnten auch die des Lesers sein. So ist das Buch schnell gelesen, aber vermutlich nicht so schnell verarbeitet. Normalerweise liegen da die Nachteile des Story-Ansatzes. Denn man findet die wichtigen Stellen nicht so einfach wieder.

Die Autoren haben dies gut über Zusammenfassungen gelöst, wobei ich mir dafür Einträge im Inhaltsverzeichnis gewünscht hätte.

Fazit

Das Buch konzentriert sich auf die HPS-Methode. Wenn diese gefällt, ist es ein empfehlenswertes Buch. Wer dagegen vom traditionellen Verkauf überzeugt ist, wird daraus wenig ziehen können.

Ich persönlich finde das Konzept sehr spannend und werde mir demnächst einmal überlegen, wo ich es einsetzen kann.

Zu einem gewissen Teil setze ich HPS bereits für mich ein. Denn ich springe nicht jedem potentiellen Kunden hinterher, weil ich weiß, dass ich als Coach vor allen Dingen die richtigen Kunden brauche. Ich arbeite  mit Empfehlungsmarketing und Öffentlichkeitsarbeit, die Kunden rufen dann von selbst an.  🙂

„High Probability Selling. Verkaufen mit hoher Wahrscheinlichkeit“, Jaques Werth, Nicholas Ruben, Michael Franz, 2008 Business Village, ISBN:978-3-938358-55-9

Der Blog

Die Autoren betreiben auch einen Blog, der sich natürlich mit HPS beschäftigt. Leider ist die Posting-Frequenz ziemlich niedrig, aber die Inhalte gefallen mir sehr gut. Zum Beispiel der Beitrag wie Barack Obama sich selbst meisterhaft verkauft. Unbedingt lesenswert!

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