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Fehlende Gestaltungsmacht und die Folgen

image Entscheidungen gehen mit Gestaltungsmacht einher. Je weniger Gestaltungsmacht wir haben, desto weniger können wir entscheiden.

Zur gestrigen Wahl unsers Bundespräsidenten haben wir viel Interessantes gehört. Un­sere Kanzlerin hat eine Schlap­pe hinnehmen müssen, denn ihr Wunschkandidat bekam erst im dritten Wahlgang die nötige Mehrheit.

Ob Herr Wulff oder Herr Gauck gute Kandidaten für das Amt sind, soll uns hier nicht weiter interessieren. Darüber soll die politische Presse schreiben und analysieren. Dazu ist sie da.

Ohnmächtig(?)

Viel spannender ist doch die Frage, was wir aus der Sicht eines Entscheiders daraus entnehmen können. Keiner der Delegierten der Bundesversammlung hatte wirklich Gestaltungsmacht in der Sache.

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Eine Lösung für die Armut

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Wir in Deutschland arbeiten seit über einem Jahrhundert an unserem Sozialstaat mit seinen Versicherungen und Hilfestellungen. Wenngleich es uns gelungen ist, Armut wie in Südafrika zu besiegen, so muss unser System doch für einige Bevölkerungsgruppen über Jahrzehnte Transfers leisten.

Umverteilung nennt es sich, aber im Grunde werden damit nur die Verhältnisse zementiert, ohne etwas an deren Ursache zu verändern.

Die Ursache für Ungleichheit

Die Ursache in Südafrika für die Ungleichheit der Menschen ist heute nicht mehr die Hautfarbe, sondern ganz eindeutig der dramatische Unterschied im Bereich der Bildung. Wer weder Lesen noch Schreiben kann, wird niemals so viel verdienen können, wie z.B. ein Herzchirurg.

Obwohl Südafrika gute Lehrer und Schulen hat, ist der Analphabetismus weit verbreitet. Gerade Kinder aus ärmeren Schichten schaffen es selten bis zum Schulabschluss. Beides ist nicht mehr nur eine Hypothek des Apartheit Regimes.

Dies produziert einen Unterschied zwischen Arm und Reich, den kein Sozialsystem dieser Erde abfangen könnte.

Das Feigenblatt

Wie bei uns auch, gibt es natürlich auch Abendschulen, in denen Erwachsene sich fortbilden können. Doch genauso wie bei uns auch, nehmen ehemalige Bildungsversager diese Angebote nur selten wahr.

Bildung in unserer Kultur funktioniert meistens nach einem ganz klaren Lebensplan. Am Anfang des Lebens gehen alle zur Schule, in die Lehre oder zur Universität. Danach arbeiten wir und verdienen Geld. Ja nach Unternehmen bekommen wir dazu noch arbeitsspezifische Fortbildungen, aber viel mehr Bildung kommt nicht dazu.

Das Wissen in der Welt verdoppelt sich alle 5 Jahre

Wenn wir davon ausgehen, dass sich das Wissen in der Welt alle 5 Jahre verdoppelt, ist dieser Zeitplan für den Bildungserwerb nicht mehr zeitgemäß.

Einmal gescheitert, arm bis zum Lebensende

In Südafrika zementiert diese Lebensplanung die massive Ungleichheit. Wer es aufgrund seines armen Elternhauses nicht geschafft hat, die Schule zuende zu führen, hat für den Rest seines Leben verloren. Hier in Deutschland geschieht das Gleiche nur auf höherem Niveau. Dazu kommt aber noch, dass die Risiken für eine unverhoffte Armut mit dem Alter steigen.

Denn Menschen, die heute ihren Job verlieren, werden nicht nur wegen ihres Alters diskriminiert, sondern auch, weil der Rest der Welt sie vom Wissen oft genug überholt hat.

Das falsche System

Während das passiert, diskutieren unsere Politiker darüber, wie schlecht die Qualität unserer Schulen ist. Wer hier allerdings optimieren will, investiert in ein zum Scheitern verurteiltes System.

Besser ist lebenslanges Lernen

Denn was wir brauchen ist tatsächlich ein lebenslanges Lernen. Quasi eine lebenslange Schulplicht. Damit gäbe es auch keine Schulabgänger mehr. Wer etwas als Jugendlicher nicht  gelernt hat, wird es dann eben als junger Mann oder noch später im Leben lernen. Wichtig ist nur, dass die Chancen dazu nicht aufhören.

Wer erfolgreich im Bildungssystem ist und einen Universitätsabschluss erwirbt, wird in regelmäßigen Abständen über Online-Kurse sein Wissen auf den neuesten Stand bringen und dies nachweisen.

Sollte er dann aus welchen Gründen auch immer seine Arbeitsstelle verlieren, ist sein Wissen auf einem topaktuellen Niveau, nicht nur in den Bereichen, die für seine bisherige Tätigkeit wichtig waren.

Kosten und Rendite

Ein solches System des kontinuierlichen Lernens wird sehr viel Geld kosten. Das ist richtig. Allerdings kosten unsere Sozialsysteme heute schon so viel, dass wir uns das auf die Dauer ohnehin nicht leisten können.

Lebenslanges Lernen würde die Sozialsysteme so nachhaltig entlasten, dass sich das neue Bildungssystem von selbst finanziert und darüber hinaus.

Denn unser Kapital und Rohstoff sind die Köpfe unserer Menschen. Wenn wir ihr Potential auch endlich einmal ausreizen würden, dann gäbe es ein Wachstum, wie wir es seit dem Wirtschaftswunder nicht mehr erlebt haben.

Müssen wir denn handeln?

Können wir es uns wirklich erlauben, auf all die Menschen zu verzichten, die heute keinen Bildungsabschluss schaffen? Können wir es uns auch weiterhin erlauben, dass unsere Leistungsträger mit der Zeit ihr Leistungsvermögen verlieren, weil ein Teil ihres Wissens veraltet?

Ich denke nicht. Irgendwann müssen wir ohnehin unser Bildungssystem umstellen. Warum machen wir es nicht, solange wir damit noch gegenüber anderen Volkswirtschaften einen Vorteil erzielen können?

Was denken Sie?

Südafrika – das Land der Apartheid

Cape Point Dem einen oder anderen Leser mag es aufgefallen sein. Der Entscheiderblog war für einige Wochen verwaist. Ich war in Südafrika, dem Ausrichter der kommenden Fußball-Weltmeisterschaft.

Wohnungsputz

Dort ist man gerade sehr damit beschäftigt, alles für den Besucher-Ansturm einzurichten. Es ist ein bisschen so, als kommt die Tante für ein paar Tage zu Besuch. Da wird all das angegangen, über das man bisher großzügig hinweg geschaut hat. Doch vor der Tante wollen wir gut dastehen. Daher haben wir unmittelbar vor dem Besuch so viel Stress wie seit Jahren nicht. Wir Deutschen kennen das noch von 2005.

Irgendwie ist es beruhigend, dass wir auf nationaler Ebene nicht anders handeln als Ließchen Müller in ihrem Häuschen.

Wohlstand wie in Europa

Südafrika ist allerdings ein besonderer Fall. Viele glauben ja, ins tiefste Afrika zu fahren. Für den Krüger-Nationalpark mag das zutreffen. Schauen wir uns Städte wie Kapstadt an, werden wir allerdings eines Besseren belehrt. Wie anderswo auch, fahren die Leute morgens ins Büro und abends wieder nach Hause. Die Shopping-Malls sind dann proppenvoll, weil jeder noch seine letzten Einkäufe erledigen will. Die Cafés sind gut besucht, bevor sich die zahlreichen Familienrestaurants mit Gästen füllen. Szenen also, wie wir sie in jeder europäischen Großstadt erwarten. Vielleicht mit dem Unterschied, dass wir uns hierzulande freuen würden, solche prächtigen Malls zu haben. 😮

Armut wie in Afrika

Doch es gibt natürlich auch die andere Seite des Lebens. Die 1994 abgeschaffte Apartheid-Politik hinterlässt eine breite Straße der Verlierer. Menschen, die niemals Lesen und Schreiben gelernt haben, geschweige denn einen Abschluss haben.

Das Land kennt keine unabhängigen sozialen Sicherungssysteme. Das heißt, wer niemals sozialversicherungspflichtig gearbeitet hat, bekommt auch keine Sozialhilfe. Daher gibt es riesige Wellblechhütten-Siedlungen, in denen die Verlierer des Systems massiert auftreten.

Sie schlagen sich mit Gelegenheitsjobs durchs Leben, wie z.B. packen sie Tüten packen Supermärkten oder bewachen die Autos der Mall-Besucher gegen ein Trinkgeld auf dem öffentlichen Parkplatz.

Der gelegentliche Tourist wird sich vielleicht denken, dass die Tage dieser Armut gezählt sind, denn diese Jugendgeneration hat ja alle Bildungschancen, die den Menschen bis 1994 durch die Schulstreiks abgingen.

Armut bleibt Armut

Leider zeigt sich hier aber auch das Beharrungsvermögen von Armut. Oft teilen sich drei bis vier Generationen ein kleines Haus (oder eine Wellblechhütte). Die Eltern haben kaum ein Interesse, geschweige den Nerv, ihre Kinder beim Lernen zu unterstützen. Gewalt ist an der Tagesordnung.

So ist es kaum verwunderlich, dass 80% der Jugendlichen niemals einen Schulabschluss machen werden. Kaum vorstellbar, dass sie mit ihren Kindern anders umgehen werden. Vor allen Dingen, weil viele bereits mit 15 Jahren Mutter oder Vater werden.

Der schnelle Weg ist meistens nicht die Lösung

Verständlicherweise suchte der regierende ANC (African National Congress) 1994 einen schnellen Weg, die Verhältnisse zu ändern. Die Antwort darauf hieß damals und heute “Affirmative Action”. Ein umfangreiches Regelwerk, das über Quoten die bisher unterprivilegierten Nichtweißen an die Schaltstellen der Macht in Wirtschaft und Gesellschaft bringen sollte.

In gewisser Weise hat es funktioniert. Denn alle Schwarzen, die halbwegs über Bildung verfügen, kamen in verantwortliche Positionen. Allerdings hat das Land heute mit Korruption und Vetternwirtschaft in nie gekanntem Ausmaß zu kämpfen.

Benevolenz – Wider die Menschliche Natur

Eigentlich wollten die Väter dieser neuen Republik es besser machen als die Weißen in all den Jahren zuvor. Sie wollten dem Staat und seinen Menschen dienen. Doch die menschliche Natur scheint das nicht zu unterstützen. Viele, die an die Macht aufgrund von Affirmative Action kamen, wollen offensichtliche auf die Schnelle etwas nachholen und ihr Schäfchen ins Trockene bringen. Sie schaden damit ihrem eigenen Volk.

Apartheid gibt es auch heute

Im Südafrika von 2009 gibt es auch heute noch Apartheid. Aber diese Apartheid begründet sich weniger auf Rasse als auf Bildung und Geld. Wer Letzteres hat, scheint nicht viel dabei zu empfinden, jene ohne diese Attribute unserer Zivilisation massiv zu diskriminieren und auszunutzen. Der einzig wahrnehmbare Unterschied scheint in den Dixie-Klos zu bestehen, die seither in den Elendsvierteln aufgestellt wurden. 😮

Vielleicht besteht ja gar kein großes Interesse, die Elendssiedlungen verschwinden zu lassen? Solange es sie gibt, verdeutlichte mir ein Südafrikaner, fließen die Gelder aus der EU und anderen Ländern. Ob diese Gelder tatsächlich bei den Bedürftigen ankommen?

Entscheiden Sie selbst.

In dieser Woche lesen Sie im Entscheiderblog eine Serie über Südafrika. Der Autor ist mit einer Südafrikanerin verheiratet und taucht immer mal wieder in das dortige Familienleben ein. Er ist damit kein Experte. Seine Beobachtungen geben nicht das Gesamtbild wieder.