Die Angebotsfalle

image Nehme ich den Lodenmantel, den Trenchcoat oder den Wollmantel? Eine einfache Ent­schei­dung. Die Antwort hängt ganz von unserem Bedarf ab. So sollte es zumindest sein.

Allerdings wissen wir Entscheidungs-Experten, dass wir nicht immer wissen, was wir wirk­lich wollen.

Edle Einfalt

So empfiehlt der Heuristik-Professor Gerd Gige­renzer, nicht länger nach Alternativen zu su­chen, wenn wir bereits eine Lösung für unser Problem gefunden haben. Denn wir werden uns ohnehin für die erste gefundene Lösung entscheiden.

Verwirrende Vielfalt

Das könnte bei dem einen oder anderen ein Stirnrunzeln auslösen. Denn denken wir an Gestaltungsspielräume, dann sind mehr Alterna­tiven besser als weniger.

Allerdings lesen wir bei Barry Schwartz,  dass eine große Auswahl den Entscheider verwirrt, so er denn nicht weiß, was er genau will.

In der Falle

Bei mir läuft das Ganze als Entscheidungsfalle. Genauer gesagt, die Angebotsfalle.

Wie gut die Angebotsfalle funktioniert, können wir bestens an uns selbst beobachten.

Ein ganz gewöhnlicher Mantel

Stellen Sie sich vor, es wird gerade Herbst. Die Temperaturen fallen mittags nicht mehr so üppig aus, das Laub verfärbt sich. Wenn sich durch den Regen einmal ein Sonnenstrahl verirrt, erstrahlen die Bäume in rot und Gold.

Zeit also für einen Übergangsmantel. Gleich im ersten Geschäft finden wir etwas Passendes. Wunderbar! Dann müssen wir nur noch die Börse zücken und zahlen.

Zu früh gefreut

Nein! So läuft es natürlich nicht. Wir brauchen ja Gestaltungsspiel­räume und mehr Entscheidungs-Alternativen sind besser als weniger.

Wir gehen also noch in ein halbes Dutzend anderer Geschäfte. (Bei uns Männern sind es maximal zwei). Am Ende können wir uns zwischen vier Mänteln entscheiden, die in unsere engere Wahl fallen.

Für welchen Mantel werden wir uns entscheiden?

Klare Antwort

Erzähle ich diese Einkaufsgeschichte in einem meiner Vorträge höre ich auf meine rhetorische Frage immer einen Chor mit der richtigen Antwort: »Der erste Mantel!«

Diese Erfahrung kennen wir alle. Sie ist im zutiefst menschlich.

Warum entscheiden wir so?

Ungelöste Probleme lösen bei uns eine Spannung aus. Wir wollen zumindest sicher sein, dass es eine Lösung gibt. Wir stehen also unter Stress. Finden wir dann endlich eine Lösung, fällt der Stress von uns ab. Wir müssen nicht mit leeren Händen nach Hause gehen!

In dem Moment findet eine Verankerung statt. Wenn wir vorher keine gute Vorstellung davon hatten, was wir genau suchen, werden die Merkmale dieser ersten Lösung zu unserem Orientierungspunkt. Ab diesem Zeitpunkt vergleichen wir die Merkmale aller danach ge­fun­de­nen Mäntel damit.

Einfach ideal

Wir wissen es nicht, aber in unserem Unterbewusstsein haben wir den ersten Mantel idealisiert. Er entspricht vielleicht nicht einmal unserem tatsächlichen Bedarf. Aber da wir uns damit im Vorfeld nicht ausreichend beschäftigt haben, werden wir das erst nach unserer Entscheidung merken.

Internet-Gefahren

Im Zeitalter vom Internet wird die Angebotsfalle besonders brisant. Denn für fast jedes Problem finden Bing und Google innerhalb von Millisekunden passende Lösungen. Da geben wir lieber ein paar Be­grif­fe zum Problem ins Suchfeld ein, als uns Gedanken darüber zu machen, was wir genau brauchen.

Unterschiedslos

Wer glaubt, dass wir als Entscheider in Unternehmen anders entscheiden als privat, glaubt vermutlich auch an den Weih­nachts­mann.

Letzterer könnte uns dann den passenden Wintermantel bringen, nachdem wir im Übergangsmantel häufig gefroren haben.

1 Kommentar

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  1. […] Die Angebotsfalle ist hier genauso wirksam, wie bei jedem anderen Entscheider. Können wir zu einem Problem die erste Lösung bei­steu­ern, spricht die Gehirnforschung dafür, dass große Teile unserer Alternative in die Lösung einfließen. Allerdings nur dann, wenn wir uns vorher als MITarbeiter und nicht als Kritiker hervorgetan haben. […]

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