Dumme Regeln und der freie Wille

image Vieles von dem was wir heute tun ist anerzogen. Kommt jemand mit ausgestreckter Hand auf uns zu, haben die meisten Menschen den Reflex, die Hand zu schütteln. In anderen Kulturen ist das Händeschütteln nicht üblich. Daher würde die ausgestreckte Hand auf wenig Verständnis stoßen.

Wenn ich “anerzogen” sage, meine ich eigentlich konditioniert. Automatisch würden wir die Hand reichen, außer wir konzentrieren uns bewusst darauf, es nicht zu tun.

Spielregeln

Aber warum sollten wir das? Hier geht es um die Spielregeln unserer Gesellschaft. Da ist es gut, wenn wir darüber nicht weiter nachdenken müssen.

Dem einen oder anderen von uns ist es schon passiert, dass wir jemanden die Hand reichten, der sie geflissentlich übersah. Na viel Glück, sollte dieser Regelbrecher jemals etwas von uns brauchen. :mrgreen:

Dumme Regeln

Andere Regeln haben wir gelernt, ohne dass sie zum gesellschaftlichen Grundprogramm gehören. Zum Beispiel müssen manchen Menschen immer Sieger sein. Das ist in einer Gesellschaft, deren Wirtschaft auf Wettbewerb aufgebaut ist ganz gut.

Allerdings wird es dem Umfeld – den Besiegten – schwer fallen, in jeder Situation positiv über den Sieger zu denken. So kennen wir zum Beispiel die sportliche Rücksichtnahme. Und manchmal gewinnen wir mehr, wenn wir auf einen Sieg verzichten. Wert immer siegen will, verliert langfristig.

Konditionierung

Allerdings sind auch diese abweichenden Regeln konditioniert. Für unseren Gegenüber ist es dann ganz normal, sich so zu verhalten.

Es ist ja nicht so, dass wir immer genau wüssten, ob wir konditioniert sind. Haben wir zum Beispiel eine Konditionierung gegen das Setzen langfristiger Ziele, “wollen” wir sie einfach nicht setzen. Wir spüren einen Widerwillen dagegen.

Wir kommen uns dann nicht unfrei vor sondern haben keine eigenen langfristigen Ziele und setzen sie auch nicht.

Unfrei

Kommt jetzt ein Coach und erklärt uns, dass Menschen mit solchen Zielen um ein Mehrfaches erfolgreicher sind als ohne und dazu auch noch glücklicher, zufriedener und erfüllter sind. Dann verstehen wir das intellektuell. Aber umsetzen “wollen” wir das trotzdem nicht.

Das mag alles schön und gut sein. “Aber für uns ist das nichts.”

Konditioniert sind wir alle. Dafür sorgt dankenswerter Weise unsere Kinderstube. Neben den guten Konditionierungen haben wir auch schädliche. Auch das ist normal.

Frei

Aber vielleicht wollen wir manchmal wirklich frei sein und bewusst etwas ändern. Dann müssen wir unsere Konditionierung brechen oder einen Weg finden, sie zum umgehen.

Brechen

imageEinen von vielen Wegen wie Sie eine Konditionierung brechen, lesen Sie in diesem Beitrag.

Umgehen

Wer eine Konditionierung umgehen will, muss wissen, wann sie anschlägt. Wenn uns jemand die Hand reicht, dann hält er sie in einer bestimmten Art. Dreht er die Hand zum Beispiel mit der Fläche nach oben, löst das bei uns kein konditioniertes Händeschütteln aus.

Viele Menschen, die für sich selbst keine Ziele setzen “wollen”, sind durchaus in der Lage, dem Nachbarn zu sagen, was er in Zukunft tun sollte. Auch was die Politik in zehn Jahren erreicht haben soll, ist dann eine leichte Übung.

Was sagt uns das? Ziele für die Zukunft kann auch der Konditionierte setzen. Vorausgesetzt, er befindet sich in einem dissoziierten Zustand.

Anders als in der Ich-Perspektive (assoziiert), sehen wir in der Fremdperspektive (dissoziiert) die Dinge von außen. Und offensichtlich lässt sich damit eine Konditionierung umgehen, die für einen assoziierten Zustand gilt.

Wie nutzen wir das?

Wer Tagebuch führt, schreibt zwar aus der Ich-Perspektive, aber er schreibt über sich in der Ich-Perspektive. Und das ist dissoziiert. So sind wir dann im Tagebuch ganz problemlos in der Lage, unsere eigene Vision zu entwickeln, auch wenn wir es normalerweise nicht sind.

1 Kommentar
  1. Ralf Hiltmann
    Ralf Hiltmann sagte:

    Hallo Kai,

    danke für diesen hilfreichen Artikel 🙂

    Ja, es hat sich schon oft als hilfreich erwiesen, einem „veränderungsresistenten“ Klienten zu fragen, welchen Rat er einem anderen geben würde, der sich in der gleichen Situation befindet wie er (der Klient) – und ihn dann dazu zu bewegen, eben diesen Rat auf sich selbst zu beziehen.

    Die „Fremdperspektive“ ist auch hilfreich, wenn unbewusste behindernde Regeln aufgedeckt werden sollen, in dem man schaut, welche Regel (Überzeugung, Glaubenssatz, Muster etc.) jemand anderes haben könnte, der die behindernde Situation erlebt – und dann eigene Bestätigungen für die gefundenen Regeln findet.

    Schöne Grüße, Ralf

    Antworten

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.