Gekaufte Betriebsräte?

© Vasiliy Yakobchuk - FOTOLIAKorruption ist unappetitlich und längst nicht nur auf irgendwelche Bananenrepubliken beschränkt. Die IG Metall hat einen ungeheuerlichen Verdacht: Der Siemens Vorstand soll den Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft unabhängiger Betriebsräte (AUB) geschmiert haben und auf diese Weise Einfluss auf Betriebsratsvoten genommen haben.

Betriebsräte sind ein Mittel der betrieblichen Mitbestimmung, die sich aus dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ergeben. Betriebsräte dürfen ihre Mitbestimmung am Arbeitsplatz, betrieblich und im unternehmerischen Sinne ausüben. Damit kommt ihnen eine nicht zu unterschätzende Macht zu, mit der Unternehmer sich arrangieren müssen.

Sollte der Siemens Vorstand tatsächlich Einfluss auf den Betriebsrat und sein Abstimmungsverhalten genommen haben, ist das sicherlich nicht im Sinne des Erfinders. Denn das BetrVG wurde nach dem zweiten Weltkrieg geschaffen, damit die Unternehmen sich nicht nur dem Gewinnstreben unterordnen sondern auch ein demokratisches Korrektiv haben, dass es nie mehr zu Schweinereien, wie der Beschäftigung von Zwangsarbeitern o.ä. kommt. Heutzutage geht es zwar eher um die Kürzung des Weihnachtsgelds oder wann in der augenblicklich boomenden Konjunktur wieder Urlaub genommen werden kann, aber nichtdestotrotz wichtige Fragen. 🙂

Es geht also heute vermehrt darum, die Rechte der Arbeitnehmer in ihrem Unternehmen zu verteidigen. Da ist es natürlich wichtig, dass die Betriebsräte unabhängig und unbestechlich sind. Es darf also nicht sein, dass wie im Fall von VW geschehen, oder in im Fall Siemens vermutet, Betriebsräte nicht ausschließlich ihrem Gewissen gegenüber ihren Wählern verpflichtet sind.

Und da kommen wir zu einem Punkt, den ich doch auch sehr beunruhigend finde. Wie viele Betriebsräte sind eigentlich Mitglied in einer Gewerkschaft? Wie viele dieser Betriebsräte sind in Ihrem Handeln dann noch so unabhängig, dass Sie ihr Votum unpolitisch im Sinne des eigenen Unternehmens und der Sicherheit seiner Arbeitsplätze treffen?

Wie häufig haben Gewerkschaften schon in interne Angelegenheiten von Unternehmen Einfluss genommen? Dass Sie es dann nicht im Sinne der Arbeitnehmer tun, konnte man häufig beobachten, wenn z.B. die IG Metall versuchte, Haustarifverträge zu verhindern, damit die Mitarbeiter durch Lohnverzicht nicht etwa ihren Betrieb retten konnten. Denn das wäre nicht im Sinn des großen Ganzen gewesen. 😯

Unternehmen dürfen nicht durch Geld oder andere Zuwendungen Einfluss auf den Betriebsrat nehmen. Das verbietet des BetrVG.

Ich glaube, das BetrVG sollte es auch verbieten, dass Betriebsräte einer politischen Organisation, wie einer Gewerkschaft angehören dürfen. 🙂 Was denken Sie?

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10 Kommentare
  1. Andreas Skowronek
    Andreas Skowronek sagte:

    Um Ihre Frage: Was denken Sie?“ zu beantworten, empfehle ich einen Blick in Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz.
    Darin steht, dass jeder das Recht hat, einer Gewerkschaft anzugehören. Ja, sogar der Bundeskanzler und Minister. Denn die verlieren ihre Grundrechtsträgerschaft nicht dadurch, dass sie kraft Amtes staatliche Gewalt – und damit wiederum Grundrechtsverpflichteter sind – ausüben.
    Mit anderen Worten: Sie sollten Ihre Position noch einmal überprüfen. 😉

    Im Übrigen ist Ihnen ein klitzekleiner Fehler unterlaufen:
    Nicht die IG Metall hegt den Verdacht, Siemens habe über deren inzwischen abgetretenen Vorsitzenden die AUB mittelbar geschmiert, sondern eine Staatsanwaltschaft ermittelt in diese Richtung.

    Eine Bemerkung zum Schluss:
    Mit dem Geist und dem Fallschirm verhält es sich so, dass beide nur funktionieren, wenn sie sich öffnen.

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  2. Kai-Jürgen Lietz
    Kai-Jürgen Lietz sagte:

    Lieber Herr Skowronek,
    Die Strafanzeige bezüglich des Vorwurfs, mit den Beraterhonoraren Betriebsräte gekauft zu haben wurde von der der IG Metall gestellt.

    Ihre Bemerkung zum Schluss finde ich sehr passend für Ihren Beitrag über das Grundgesetz. Denn auch hier muss ich mir überlegen dürfen, ob es nicht Sinn macht, Betriebsräte grundsätzlich unabhängig handeln zu lassen 🙂 und daher z.B. die Mitgliedschaft eines Betriebsrates in der IG Metall für die Zeit seines Amtes ruht.

    Für andere Kommentare: Ich will wirklich wissen, was Sie denken und nicht, was das GG darüber sagt. Wir müssen ja nicht das Denken einstellen, nur weil irgendwann ein Passus im GG formuliert wurde 🙂

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  3. Kai-Jürgen Lietz
    Kai-Jürgen Lietz sagte:

    Lieber Herr Skowronek,

    jetzt lassen wir mal die Klassenkampfreflexe stecken und beschäftigen wir uns doch mit dem Thema.
    Ich denke wirklich, dass es der Sache dienen würde, wenn Betriebsräte ausschließlich den Mitarbeitern verpflichtet wären, die sie gewählt haben.
    Ist daran irgendetwas Falsches? 🙂

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  4. Luc
    Luc sagte:

    Herr Lietz,
    wenn Betriebsräte keiner Gewerkschaft angehören dürfen, dann dürfen auch Unternehmer nicht mehr Mitglied eines politischen Unternehmerverbandes wie BDI/BDA etc sein. Ihr Beispiel mit dem Betrieb in Bayern, in dem meines Wissen die Arbeitnehmer entgegen der Politik der IGM-Verwaltungsstelle gehandelt haben, geht nur dann als Negativbeispiel durch, wenn wir das „freie Spiel“ der Marktkräfte als einzige und oberste Prämisse für politisches, gesellschaftliches und wirtschaftliches Handeln nehmen, wenn wir uns den Text von „Arbeit um jeden Preis“, „Sozial ist, was Arbeit schafft“ etc etc aneignen. Wenn wir, was Sie ja einfordern, einfach mal vernünftig denken, dann kann dies aber kein Leitmotiv sein. Wenn wir mal anfangen zu denken, dann erkennt auch der Laie schnell, dass Schluss sein sollte mit dem Reformgetöse der letzten Jahre, hinter dem nichts anderes als die Restauration eines Hardcore-Kapitalimus steht. Der Markt regelt im Sinne sozial nachhaltig organisierter Gesellschaften gar nichts, weder bei uns noch in anderen Ländern.
    Leider werden das die Marktradikalen in Deutschland erst dann verstehen, wenn die Folgen der derzeitigen Politik zu Unruhen und weiteren sozialen Verwerfungen führen, deren Konsequenzen dann auch für die kleine Schicht der Superreichen nicht mehr angenehm sein wird.

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  5. Andreas Skowronek
    Andreas Skowronek sagte:

    Wieviele Betriebsräte wollen Sie präsentiert bekommen, die genau dem von Ihnen favorisierten Grundsatz folgen? 100, 200 oder doch besser 1.000?

    Googlen Sie mal nach „Pforzheimer Abkommen“ und IGM. Auch beliebt der Terminus „Ergänzungstarifvertrag“. Hatte die Siemens-BenQ-Mobile auch mal gemacht.

    Was den von Ihnen erwähnten „Klassenkampfreflex“ betrifft, empfehle ich Ihnen mal durch Kamp-Lintfort zu spazieren und das Hohelied auf Klaus Kleinfeld zu singen. Ich wünsche viel Spaß dabei 😉

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  6. Kai-Jürgen Lietz
    Kai-Jürgen Lietz sagte:

    Lieber Luc
    Als Unternehmer (freilich noch ohne Betriebsrat) bin ich auch Mitglied in verschiedenen Verbänden. Wer jetzt glaubt, ich würde das wegen des politischen Lobbyismus tun, irrt sich gewaltig. Diese Mitgliedschaften sind die Netzwerke, über die Mitunter Aufträge entstehen. Ein Unternehmen ohne Aufträge kann auch keine Mitarbeiter beschäftigen. Wobei ich Ihnen natürlich nicht unterstellen möchte, dass Sie das aus dem Blick verloren hätten.
    Aus Ihrer Perspektive haben Sie natürlich recht, dass es nicht so auf den Erhalt des einzelnen Unternehmens ankommt, wie auf die volkswirtschaftlich gedachte große Linie. Wer durch eine Unternehmenspleite seinen Arbeitsplatz verloren hat, der wird auch einen neuen Arbeitsplatz finden, ausreichend Talent und Befähigung vorausgesetzt.
    Ich bin ja nun auf der Ebene des einzelnen Unternehmens tätig und ich denke hier vielleicht in einem zu kleinen Format. Aber für mich ist es wichtig, dass unsere Unternehmen erhalten bleiben. Auch wenn dadurch die große Linie gestört wird und vielleicht auch, wenn ich dadurch in den Verdacht gerate, ein Hardcore Kapitalist zu sein. 🙂

    Aber zurück zu Thema: Was sollte falsch daran sein, dass Betriebsräte grundsätzlich von jeder übergeordneten Organisation unabhängig sind?

    Eine Frage habe ich allerdings ganz persönlich an Sie: Können Sie sich vorstellen, einmal selbst Unternehmer zu sein und Arbeitsplätze hier in Deutschland zu schaffen, gegen viele Widerstände zu verteidigen und am Ende noch die gleichen Aussagen zu treffen wie in Ihrem Kommentar?

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  7. Kai-Jürgen Lietz
    Kai-Jürgen Lietz sagte:

    Lieber Herr Skowronek,

    ich habe überhaupt keinen Zweifel, dass sich sehr viele Betriebsräte des Dilemmas bewusst sind und sich schon allein deshalb als „unabhängig“ positionieren.

    Doch wir beide wissen, dass es auch viele Betriebsräte gibt, die diese Unabhängigkeit nicht leben können, sogar von dem regionalen Gewerkschaftler unter Druck gesetzt werden.

    Jetzt kann man natürlich fragen, was daran schlecht ist. Denn die Gewerkschaften haben doch ohnehin das Wohl der Werktätigen im Sinn. :mrgreen:

    Wenn dem so wäre, warum dann nicht gleich die Mitbestimmung den jeweils zuständigen Gewerkschaften überlassen? 😛

    Das wissen Sie natürlich auch besser, immerhin habe Sie den Gewerkschaften doch sehr viel zu verdanken. Daher schreiben Sie ja auch ganz klar in Ihrem Blog, dass Sie sich dem Arbeitnehmerlager zugehörig fühlen. Mit anderen Worten, sie wissen, dass Sie nicht mehr unabhängig sein können und weisen daher auch klar darauf hin.

    Das ehrt Sie, gegenüber anderen Menschen, die sich da lieber verstecken.

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  8. Kai-Jürgen Lietz
    Kai-Jürgen Lietz sagte:

    Lieber Herr Skowronek,

    vielen Dank für Ihren Kommentar. Was wollen Sie mir damit sagen?
    Mögliche Deutungen:
    [1] Sie wollen sich für ein Praktikum beim mir bewerben.:cool:
    [2] Sie wollen mich auf die skandalösen Praktikumsjobs für Hochschulabsolventen hinweisen.
    [3] Sie sind als Praktikant von einer Gewerkschaft ausgenutzt worden. 😯
    [4] Sie berichten auch kritisch über Gewerkschaften und ihre Aussagen.

    Sicherlich gibt es noch viel mehr mögliche Deutungen. Fakt ist, dass ich nicht weiß, was Sie meinen. 🙂

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