Tod eines Machtmenschen
…Der Politiker betritt das Gebäude. Die Komplizen der Verschwörer verwickeln seinen Freund Marc draußen in ein Gespräch, damit er ihrem Plan nicht in die Quere kommen kann. Derweil bestürmt die Gruppe in der Halle den arglosen Mann mit ihrem Gnadengesuch.
Der fühlt sich bedrängt und wehrt ab. Die Sitzung hat doch noch gar nicht begonnen! Aber das Ganze ist nur ein Ablenkungsmanöver. Die Verschwörer trennen ihn so von den übrigen Senatoren. Sie reißen ihm die Kleidung vom Oberkörper. Das war das Zeichen, loszuschlagen. Der 56-Jährige ist zwar ein kampferprobter Mann, aber gegen die Übermacht der mit Leidenschaft und Messern bewaffneten Männer hatte der bis auf sein Schreibwerkzeug Unbewaffnete keine Chance. Hoffnungslosigkeit befällt ihn in seinen letzten Momenten. Von über 40 Stichen getroffen sinkt er ungläubig in sich zusammen.
So oder so ähnlich starb Gaius Julius Cäsar in den Iden des März (15.3.) 44 Jahre vor unserer Zeitrechnung. Der Diktator auf Lebenszeit fiel einer Verschwörung von Senatoren zum Opfer, die die alten politischen Bedingungen wiederherstellen wollten.
Was war passiert? Cäsar hatte die republikanische Ordnung der Römer gehörig durcheinander gebracht. Das politische Ränkespiel der späten Republik war ihm verhasst, weil das römische Reich inzwischen viel zu groß geworden war, um auf diese Weise verwaltet zu werden.
Er hatte einen Bürgerkrieg gegen den Senat geführt und gewonnen. Seine Widersacher verfolgte er bis in die letzten Winkel des Reiches. Wenn Du Deinen Gegner nicht schlagen kannst, dann bleibt nur eines übrig. Der Senat arrangierte sich also mit Cäsar und verlieh ihm den Titel Diktator auf Lebenzeit.
Die Sache hatte nur einen Schönheitsfehler. Im alten Rom war es Tradition, dass Macht nur auf Zeit verliehen wurde und sie geteilt werden musste. Daher wurden Consuln (das höchste Amt im Staat) nur auf ein Jahr gewählt und es gab immer zwei davon.
Cäsar passte also nicht mehr in das politische System der Republik. Am Anfang war das noch kein Problem. Aber mit der Zeit regte sich Widerstand. Seine Gegner trauerten den Idealen der Republik und vor allen Dingen ihren Machtpfründen hinterher. Zudem befürchteten sie, Cäsar könne sich zum König ausrufen lassen.
Der Unterschied zwischen einem König und einem Diktator ist bestenfalls marginal. Aber ihre Ablehnung beruhte darauf, dass die Römer 500 Jahre zuvor ihren letzten König aus der Stadt vertrieben hatten. Der damalige Befreier des Volkes ließ alle Römer schwören, niemals wieder einen König in den Mauern der Stadt zu dulden.
Cäsars Anhänger wiederum beschäftigten ähnliche Gedanken. Auch sie wußten, dass der Diktator auf Lebenzeit nicht in das republikanische System Roms passte. Ihr Schluss war einfach. Cäsar sollte sich zum König ausrufen lassen. Immer wieder versuchten sie ihm auf offener Strasse eine Königskrone aufzusetzen. Cäsar verstand den Wink mit dem Zaunpfahl wohl, ging aber nicht darauf ein.
So verging die Zeit und beide Seiten radikalisierten sich immer weiter. Und Cäsar? Von ihm war dazu nichts zu hören. Historiker glauben, dass er nicht weiter, als bis zum Gewinn des Bürgerkriegs gedacht hatte. Ihm fehlt für die Zeit danach schlichtweg die Vision. Daher traf er auch keine Entscheidung, wie er entweder seine Position mit der Republik vereinbar machen konnte oder die Republik endgültig beerdigen konnte.
Wo wir unsere Gesaltungsspielräume nicht nutzen, da tun es andere. Und so haben am 15. März, 44 Jahre vor unserer Zeitrechnung 60 Senatoren die Regierungszeit des Diktators auf Lebenszeit empfindlich verkürzt. Wenn ich eine Entscheidung immer weiter hinauszögere (Schneckenfalle), dann habe ich am Ende keine attraktiven Alternativen mehr zur Verfügung. Cäsar jedenfalls sind sie an seinem letzten Tag ausgegangen. Andere entschieden für ihn.
Was wurde aus den Verschwörern? Sie hatten die Reaktionen des Volkes falsch eingeschätzt. Anstatt die Republik wiederherzustellen entwickelte sich aus dieser Tat das römischen Kaiserreich, mit Cäsars Adoptivsohn Augustus an seiner Spitze. Praktisch alle Verschwörer fanden ein unrühmliches Ende.
Dazu passt folgendes Bonmot:
Keine Entscheidung ist so dringend, als dass sie durch längeres Zuwarten nicht noch dringender würde.
Oder eben obsolet.
🙂