Vergeben und vergessen

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Entscheidungen geben unserem Handeln eine Richtung.

Die meisten denken allerdings nicht an ihre langfristigen Ziele, wenn sie von Wut, Ärger oder Enttäuschung übermannt werden. In sol­chen Fällen sollten wir lieber keine Entscheidungen treffen und abwar­ten, bis wir wieder ausgeglichen sind. Anders ist das, wenn uns der Ärger auf einen Feind immer wieder heimsucht und wir die Palme nicht mehr verlassen wollen, auf die wir uns zuvor getrieben haben.

Unabsichtlich

Wer lebt, macht Fehler. Das lässt sich kaum vermeiden. Manchmal stoßen wir andere Menschen vor den Kopf, die dann nicht mehr gut auf uns zu sprechen sind. Umgekehrt enttäuschen Menschen uns, denen wir das niemals zugetraut hätten.

Das ist normal und selten geschieht es mit Absicht. Und wenn es doch so ist, dann fällt es den Meisten nicht leicht, so zu handeln.

“Wie konnte er das nur tun?” Fragen wir uns dann vielleicht. Wobei das “Wie” vermutlich nicht die richtige Frage ist. Allerdings gibt es selten Gründe, die uns als Opfer der Enttäuschung zufrieden stellen würden.

Einseitig

Das hat seinen Grund in der sog. Refraktärphase. In dieser Zeit, die von wenigen Momenten bis zu ein paar Wochen dauern kann, verarbeiten wir ausschließlich Informationen, die unser Gefühl be­stä­ti­gen.

Bestes Beispiel im Positiven: Wenn wir verliebt sind, ist unser Herzblatt ein wahres Genie in allen Dingen und kann überhaupt nichts Schlechtes tun. Erst wenn die Verliebtheit abklingt, wird der andere wieder menschlich und nicht jede seiner Ideen verdient noch den Nobelpreis.

Das Gleiche passiert, wenn ein anderer unsere Grenzen überschritten hat. Dann gibt es nichts mehr, was wir diesem Bösewicht nicht zu­trauen würden. 😮

Schmerzhafte Wunden hinterlassen Spuren

So weit, so normal. Doch manchmal entwickelt sich daraus mehr. Plötzlich ist der ehemals gute Freund unser Feind. Wir wollen nichts mehr mit ihm zu tun haben. Gleichzeitig müssen wir regelmäßig an ihn und seinen Verrat denken. So eine durch uns durch verfaulte und verrottete Person!

Immer wieder denken wir daran zurück und jedes Mal spüren wir den gleichen Stich ins Herz. Diese Person darf nie wieder glücklich wer­den! Wir bestrafen sie mit unserer Missachtung. Denn Rache ist süß.

Wen stört’s?

Fragt man die so geschnittene Person, merkt sie allerdings wenig davon. “Ja um den Müller, ist es still geworden. Es hat ihm vielleicht nicht gefallen, dass ich ihn nicht unterstützen konnte.”

Das macht nachdenklich. Unsere Feindschaft ist kein sinnvolles Instrument. Sie schadet uns selbst, weil jede Menge ungesunder Hormone ausgeschüttet werden, unser Blutdruck in die Höhe schießt und weil es uns einige Intelligenzpunkte kostet.

Noch sinnfreier wäre es allerdings, wenn wir aktiv Rache nähmen. Wie zum Beispiel intrigieren oder gar Gewalt anwenden. Denn damit zwängen wir uns noch unter das geringe Niveau, das wir unserem verhassten Gegner zubilligen.

Konditioniert wie Pawlows Hund 

Unser Ärger ist ein reaktives Muster. Wir wählen nicht bewusst, dass wir einen lebenslangen Feind haben wollen. Im Ergebnis stecken wir danach allerdings in unserem Gefängnis selbst geschaffener negativer Emotionen fest.

Sehen wir die Dinge mit der Brille der Vernunft, sollten wir solche negativen Erlebnisse hinter uns lassen. Wir sind eine Erfahrung reicher und gestalten unsere Zukunft positiv. Doch wer kann schon vernünftig denken, wenn er sich ständig selbst in Rage bringt?

Ich persönlich habe es etwas leichter, weil ich generell nicht nachtragend bin. Wenn ich merke, dass mir ein anderer Mensch nicht gut tut oder gar schadet, dann meide ich ihn. Aber ich muss mich nicht ständig in schlechten Erinnerungen suhlen.

Wie wir persönlich mit Enttäuschung und Verrat umgehen, ist allerdings konditioniert. Als Kind war ich zunächst jähzornig, aber und meine Eltern haben mir konsequent immer wieder gezeigt, dass ich damit nichts erreiche. Stattdessen haben sie mir bessere Wege gezeigt, an meine Ziele zu gelangen. Bei mir hat es gewirkt.

Allerdings sind wir unseren Konditionierungen nicht hilflos ausgelie-fert. Für jede unsere Reaktionen braucht es eine genaue Choreogra-phie der Abläufe.

Zum Beispiel müssen wir merken, dass jemand etwas Falsches macht (Schritt 1) dann müssen wir denken, “was erlaubt der sich?” (Schritt 2). Dann denken wir noch einmal an das, was der andere getan hat (Schritt 3) . Dann lassen wir die Wut so richtig hochkochen (Schritt 4). Intern verbalisieren wir den Missetäter mit ein paar Schimpfworten (Schritt 5). Wir fragen uns “Warum tut er mir das an?” (Schritt 6) und wir geben uns gleich die Antwort: “Weil er unser Feind ist!” (Schritt 7) Jetzt sind wir soweit. Wir empfinden das volle Ausmaß an Wut, Enttäuschung und Verachtung für den anderen.

Selbstbeobachtung

Paul Ekman empfiehlt, sich selbst bewusst zu beobachten, wenn negative Dinge passieren. Denn wir können durchaus das reaktive Muster durchbrechen. Treten wir beispielsweise innerlich einen Schritt zurück und fragen uns, was jetzt gut für uns wäre.

Wir ärgern uns natürlich trotzdem. Aber die Intensität ist geringer. Daher hinterlässt es keine so tiefen emotionalen Spuren bei uns. Wir müssen dann nicht ständig zurückdenken und wir bleiben frei.

Dann fällt es uns vielleicht auch leichter, dem anderen zu vergeben, dass er ein Mensch ist.

Vielleicht beobachten wir uns demnächst genauer, welche Schritte wir durchlaufen, ehe uns ein anderer auf die Palme gebracht hat?

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