Weil wir es später besser wissen

Fotolia_10285498_S_Maßstab Erfolgreiche Unternehmer machen nicht alles selbst. Sie sind auf gute Dienstleister und Lieferanten angewiesen. Hier sind wir allerdings mit dem Grundproblem jeder Entscheidung konfrontiert. Wir brauchen Informationen, um unser Gegenüber als den richtigen oder falschen Partner identifizieren zu können.

Manche Entscheider lassen sich über potentielle Partner große Dossiers anlegen, in den es nicht nur ums Geschäftliche geht. Nach dem Motto: Wenn der Geschäftsführer eines Lieferanten bereits mehrere gescheiterte Ehen hinter sich hat, werden auch seine Geschäftsbeziehungen nicht harmonisch verlaufen.

Von derlei Methoden halte ich allerdings nicht viel. Schließlich möchte ich ja auch nicht, dass andere mich ausforschen. Auch wenn ich damit nur verhindern will, dass meine potentiellen Kunden vor Langeweile sterben. 🙂

Persönliche Informationsgrenzen

Welche und wie viele Informationen wir über Partner einholen, hängt allein von unseren Entscheidungskriterien ab. Wenn wir sie festlegen, sagen wir damit, dass außer diesen Kriterien nichts anderes eine Rolle spielt.

Ein hamburger Unternehmer vertraute mir einmal an, dass er FC Bayern-Fans leidenschaftlich ablehne. Trotzdem kämen seine wichtigsten Lieferanten (FC Bayern-Fans) aus dem Münchner Raum. Fußballfankultur gehörte also nicht zu seinen Entscheidungskriterien bei der Lieferantenauswahl.

Vier Fälle – zwei Fallen

Bei Informationen müssen wir insgesamt 2 X 2 Fälle = 4 Fälle unterscheiden.

  1. Direkt messbare Informationen, die zugänglich sind.
  2. Direkt messbare Informationen, die nicht zugänglich sind.
  3. Unmessbare Informationen, die zugänglich sind.
  4. Unmessbare Informationen, die nicht zugänglich sind.

Einige Entscheider wollen sich generell nur auf messbare Informationen verlassen. Sie wären dann ohne Not auf Fall 1 reduziert. Zudem bilden unsere Entscheidungskriterien unseren Bedarf ab. Wenn wir dazu nur messbare Informationen verwenden wollen, erkennen wir unseren Bedarf darin nicht wieder. Ich habe das in meinem ersten Buch (Das Entscheider-Buch. 15 Entscheidungsfallen und wie man sie vermeidet) als Faktenfalle bezeichnet.

Maßlos

Natürlich verwenden wir auch nicht direkt messbare Informationen, wie z.B. Zuverlässigkeit. Dazu schaffen wir uns ein Ersatzmaß. Zum Beispiel könnten wir zehn seiner anderen Kunden befragen, wie zufrieden sie mit der Zuverlässigkeit des Lieferanten sind.

Was machen wir nun mit den unzugänglichen Informationen? Ob sie uns zugänglich sind oder nicht, kann die unterschiedlichsten Gründe haben. So werde ich nach 5 Jahren Zusammenarbeit über viele dieser Informationen verfügen, weil ich mit dem Lieferanten Erfahrungen gesammelt habe. Die persönliche Erfahrung werde ich vorher nicht beschaffen können, aber eben die Aussagen seiner jetzigen Kunden und wenn ich Glück habe auch von Kunden, die es heute nicht mehr sind. 😮

Mangelnde Qualität

Diese Informationen sind jedoch gefärbt. Denn andere Entscheider haben andere Entscheidungskriterien und gewichten sie auch anders. Die Informationsqualität ist dabei also geringer.

Wenn wir unsere Entscheidungskriterien bilden, müssen wir das bereits berücksichtigen. Uns besonders wichtige Kriterien sollten auch mit der entsprechenden Informationsqualität hinterlegt werden.

Wahrnehmung und Information

Ein besonderes Problem ist dabei unsere eigene Wahrnehmung. Angenommen, uns wäre bei einer Geldtransportfirma das Kriterium “Ehrlichkeit” besonders wichtig. Was ja durchaus nachvollziehbar ist.

Allerdings ist dieses Kriterium weder messbar noch als Information zugänglich. Auch die Befragung anderer Kunden liefert dabei keine zuverlässigen Ergebnisse.

Denn “Ehrlichkeit” im Sinne davon, die Kunden nicht zu bestehlen, ist die Geschäftsgrundlage einer Geldtransportfirma.

Existiert das Unternehmen kann das zwei Dinge bedeuten: (1) Das Unternehmen geht tatsächlich ehrlich und zuverlässig mit den Kundengeldern um; (2) Evtl. betrügerisches Verhalten ist noch nicht ruchbar geworden.

Letzterer Fall ist nicht aus der Luft gegriffen, wie wir alle noch von dem Heros-Skandal wissen. Hätten die betroffenen Firmen Verluste vermeiden können? Ja! Indem sie sich darüber klar hätten sein müssen, dass die wichtigste Geschäftsgrundlage für diese Lieferantenbeziehung vorab nicht zuverlässig zu ermitteln ist. Jede auch noch so kleine Unregelmäßigkeit hätte zur sofortigen gründlichen Prüfung und späteren Beendigung der Geschäftsbeziehung führen müssen. Die fehlende Information bildete den Schwachpunkt der Entscheidung.

Wenn wir erst einmal eine Entscheidung getroffen haben, wiegen wir uns oft in falscher Sicherheit. Wir haben aus unserer Sicht alles Notwendige getan, um eine gute Entscheidung zu treffen. Jetzt muss es funktionieren.

Infofalle

Falsch! Denn wir müssen uns oft auf unvollständige Informationen verlassen. Obwohl wir keine belastbaren Fakten haben, schätzen wir z.B. den Verkäufer auf der anderen Seite als ehrlich und zuverlässig ein. Wer ohne Fakten so tut, als hätte er eine Informationen, der fällt auf die Infofalle herein.

Nachher ist man immer schlauer

Tatsache ist allerdings, dass uns innerhalb einer Geschäftsbeziehung eine bessere Informationsqualität zur Verfügung steht als außerhalb. Daher sollten wir uns zum Entscheidungszeitpunkt darüber klar sein, welche Kriterien eher schwach mit Informationen hinterlegt sind. Diese müssen wir uns nach einiger Zeit noch einmal vornehmen.

Hätten wir mit den besseren Informationen die gleiche Entscheidung getroffen? Manchmal wird die Antwort dann “nein” heißen.

Was soll wir dann machen? Es hängt davon ab. Wenn die Kosten eines Lieferantenaustausches größer sind, als gemeinsam an dessen Performance zu arbeiten, hat der Lieferant Glück gehabt. Wenn nicht, war die Fehlentscheidung wohl nicht so gravierend.

Marschrichtung und Erkenntnis

Damit haben wir auch eine Marschrichtung in Zeiten unsicherer und schlechter Informationen. Wir sollten nicht zu viel Zeit damit verschwenden. Letztlich kostet es uns mehr, eine Entscheidung aufgrund Informationsmangels aufzuschieben als die eine oder andere Fehlentscheidung auszubügeln.

2 Kommentare
  1. Ralf Hiltmann
    Ralf Hiltmann sagte:

    Hallo Kai,

    „Wir sollten nicht zu viel Zeit damit verschwenden.“
    Ja, so sehe ich es auch. Und habe dafür eien simple Formel, die dies auf den Punkt bringt:

    – Wisse, was du willst.
    – Fühle, was du fühlst.
    – Tu‘, was zu tun ist.

    Schöne Grüße
    Ralf

    Antworten
  2. Kai-Jürgen Lietz
    Kai-Jürgen Lietz sagte:

    Danke!

    Wir brauchen natürlich trotzdem Informationen.

    Aber wir erleben in den Firmen immer wieder Entscheidungen, die sich über Monate hinziehen, obwohl offensichtlich ist, dass wir die Qualität unserer Informationen nicht wesentlich verbessern können.

    In dem Fall verschwenden wir Zeit und Geld. Insbesondere in Form eines entgangenen Vorsprungs vor dem Wettbewerb. Den einen oder anderen Fehler später auszubügeln ist meistens wesentlich wirtschaftlicher.

    Antworten

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