Mensch

Der Menschliche Faktor

Mensch

„Es ist Zeit für eine vernünftige Entscheidung!“ Raul Cassa*, der Vorstandsvorsitzende ist die ewigen Diskussionen leid. Seine Kollegen nerven ihn. Er braucht jetzt eine Entscheidung, egal ob es Bedenken gibt oder nicht. Die Feiglinge werden sich ohnehin nicht gegen ihn stellen.

Auch wenn nicht jeder von uns ein Unternehmen leitet, können wir Rauls Qualen nachempfinden. Denn solche Diskussionen gibt es überall, ob in der Familie, dem Verein, im Team oder einfach beim Selbstgespräch. Die Entscheidung setzt dem ein Ende. Sie ist die Erlösung.

Leider macht uns in diesem Moment der menschliche Faktor einen Strich durch die Rechnung. Denn Raul ist genervt. Ohne es zu merken, wird er in diesem Zustand andere Entscheidungen treffen, als wenn er entspannt bei einer Tasse Kaffee an seinem Schreibtisch sitzt.

Starke Emotionen verändern unseren Bewertungsmaßstab. Dazu muss ich noch nicht einmal eine der zahlreichen wissenschaftlichen Studien darüber zitieren. Jeder hat schon einmal erlebt, wie er mit der richtigen Wut im Bauch die falschen Entscheidungen seines Lebens getroffen hat.

Emotionen genießen in unserem Hirn einen Bestandsschutz. Sobald sich ein bestimmtes Gefühl durchgesetzt hat, sei es Wut, Frustration, Hoffnungslosigkeit(!) oder Liebe, verarbeiten wir Informationen nur noch einseitig. Alles was der Emotion widerspricht, wird nicht mehr verarbeitet. Vielleicht kennen Sie das auch? Sie haben eine Stinkwut auf jemanden. Selbst wenn der andere zu Ihnen kommt und erklärt, warum er so und nicht anders handeln konnte, macht Sie das nur noch wütender. Denn anstatt die Argumente zu prüfen, kommt bei Ihnen nur an, dass der andere Sie manipulieren will. Einige Stunden später ist Ihr Zorn verraucht. Da trifft Sie die Erkenntnis wie ein Donnerschlag: Sie haben dem anderen unrecht getan. Diese Phase der eingeschränkten Informationsverarbeitung ist von der Evolution so gewollt. Sie können nichts dafür.

Raul sollte daher lieber die Entscheidung vertagen. „Ich denke, wir haben jetzt alle Argumente gehört. Darüber möchte ich noch einmal in aller Ruhe nachdenken. Wir treffen uns am Freitag. Da werden wir dann über unsere Entscheidung abstimmen!“

In der Zwischenzeit wird er wieder sein gewohntes Selbst sein. Das sichert zwar auch keine „vernünftige“ Entscheidung, aber eine zu der er auch langfristig stehen kann.

Was denken Sie? Könnte es Ihre Entscheidungen nachhaltiger machen, wenn Sie auf eine emotional ruhige Phase warten, um sie zu treffen?

*Name geändert
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