Aussichtspunkt mit Entscheidung
»Entscheidungen geben unserem Handeln eine Richtung.« Wenn ich das sage, nicken viele und einige denken darüber nach. Dieser kurze Satz hat es tatsächlich in sich. Denn die nächste Frage lauert schon: Wohin? Welche Richtung wollen wir denn einschlagen?
Entscheidung auf Sicht
»Ich entscheide auf Sicht.« Das haben wir alle schon oft gehört. Manchmal sogar aus unserem eigenen Mund. Wenn eine Führungskraft das sagt, wird es bedenklich. Denn der Sichtentscheider weiß offensichtlich nicht, wo es lang geht.
Das ist der Unterschied, ob ich eine langfriste Vorstellung davon habe, wo ich eines Tages herauskommen will oder nicht.
Stell Dir vor, Du gehst wandern. Du hast die Wahl. Du kannst Dich einer Gruppe anschließen, die auf Sicht wandert oder einer anderen Gruppe mit einer Wanderkarte.
Wie entscheidest Du Dich?
Mit der Wanderkarte wissen wir wo es lang geht. Auf Sicht schauen wir nur, wo es vielleicht auf den ersten Blick schön aussieht.
Wir würden dann vielleicht den spektakulären Wasserfall verpassen und das Restaurant zum Einkehren, weil die Wege dorthin auf den ersten Blick beschwerlich aussehen.
Was für Unternehmen gilt
In einem Unternehmen sollten die Führungskräfte wissen, wo es lang geht. Das ist klar. In der Praxis ist das zwar auch nicht immer der Fall. Aber wie steht es mit unserem eigenen Leben?
Weißt Du, wo Du eines Tages herauskommen willst?
Wenn nein, was bedeutet das für Dich?
Wir können unser Leben so frei gestalten, wie wir wollen. Wenn wir allerdings nicht wissen, was wir wollen, geben wir die Kontrolle ab. »Auf Sicht« heißt dann, sich von anderen sagen zu lassen, was wir zu wollen haben.
Metaentscheidung
Ich bin ein proaktiver Mensch. Daher bevorzuge ich es, mein Leben selbst zu gestalten. Allerdings fühlen sich viele Menschen mit dem Arrangement sehr wohl, dass ihnen andere sagen, wo es lang geht.
Daher geht es hier um eine Frage des Lebensstils. Es ist weder gut noch schlecht, ob wir eine eigene Vision haben oder nicht.
Tatsächlich ist es eine Entscheidung. Auf einer Metaebene entscheiden wir, ob unser Leben eine Richtung haben soll oder viele.
Lieber Kai,
die Formulierung „Wir entscheiden oder fahren auf Sicht“ ist mir häufiger in Unternehmen im letzten Jahr (also inmitten der Finanzkrise) untergekommen.
Sie drückt einfach die Hilflosigkeit im Umgang mit den wegbrechenden Aufträgen aus und soll begründen, warum man keine längerfristigen Aufträge rausgeben will. Das ist dann doch nur zu verständlich. Ich gebe Dir allerdings recht, dass die Formulierung an sich schon das Gefühl der Opferhaltung provoziert.
Als Einzelkämpfer wäre die Haltung fatal, vorübergehend ist sie für Unternehmen mit mehreren 100 Mitarbeitern vielleicht ja sogar vertretbar, vor allem dann wenn man Gründe sucht, unbequeme Entscheidungen zu kommunizieren.
Beste Grüße von Birgit
Liebe Birgit,
vielen Dank für den Einblick in Deine eigene Erfahrung. Was Du beschreibst, nenne ich, das Gleichgewicht zwischen Situation und Vision herstellen.
Idealerweise halten wir in jeder Entscheidung die Balance zwischen situativer Notwendigkeit und langfristiger Vision.
In der Finanzkrise ist die Situation zunächst stärker als jede Vision. Denn was nützte es, wenn die Entscheidung theoretisch zur langfristigen Vision passt, aber das Unternehmen aufgrund der Situation nicht überlebt?
Schlaue Entscheider verlieren trotzdem nie ihre Vision aus dem Blick und gehen Wege, die sich nicht negativ auf die zukünftigen Gestaltungsspielräume auswirken.
Denn inzwischen suchen alle wieder verzweifelt nach Fachkräften. Wer in der Krise unbedacht entlassen hat, darf jetzt den anderen Unternehmen hinterher sehen. 😮
Das ist dann der Unterschied von Unternehmen, die nur auf Sicht entschieden haben und anderen, die zumindest einen kleinen Teil ihrer Entscheidung an der unternehmerischen Vision orientiert haben.