Ein Entscheidungsdilemma
„Ich weiß, was das Richtige ist, aber ich kann es nicht tun!“
Ein Unternehmer (nennen wir ihn Hans Bremer*) ist in einer schwierigen Entscheidungssituation. Er hat die operative Führung seines Unternehmens vor einigen Jahren in die Hände eines externen Geschäftsführers (Frank Hauf*)gelegt. Nicht ganz zufällig ist Hauf auch Bremers bester Freund und hat diesem in der Jugendzeit häufig aus der Klemme geholfen.
Leider ist Geschäftsführer Hauf nicht das Idealbild des guten Freundes. So weiß unser Unternehmer seit Jahren, dass sein „guter Freund“ sich immer wieder Geld abgezweigt hat und alkoholabhängig ist.
Jährliches High Noon
Seit vier Jahren wiederholt sich jedes Quartal das gleiche Spiel: es kommt zum kleinen Showdown und Bremer konfrontiert Hauf mit dessen Fehlern. Hauf ist dann sehr zerknirscht und gelobt ewige Besserung. Nur es passiert leider nichts. Therapien und Entziehungskuren bricht der Geschäftsführer immer wieder schnell ab, weil er sich angeblich Sorgen um das Unternehmen macht.
Rolltreppe abwärts
Dem Unternehmen geht es derweil immer schlechter. Einst eine wahre Perle, habe viele gute Führungskräfte der mittleren Ebene das Weite gesucht, nicht ohne Unternehmer Bremer klar zu sagen, dass Hauf einfach nur unfähig sei. Die Kunden des Unternehmens sind natürlich auch nicht blind und merken, dass Bremers Unternehmen nicht mehr seinem einstigen Ruf gerecht werden kann und nutzen das in Preisverhandlungen oder suchen sich einen anderen Anbieter.
Bremer ist in dieser Situation wie gelähmt. Auf der einen Seite weiß er seit Jahren, dass er Hauf auf die Strasse setzen müsste, auf der anderen Seite bringt er es nicht fertig, genau das zu tun.
Wahllosfalle mit Spezialproblem
Der Unternehmer steckt hier wieder in der Wahllosfalle. Er stellt sich vor die Wahl, ob er sich von Hauf trennt oder nicht. Tatsächlich versucht er zwei Entscheidungen in einer zu verpacken. Wenn er beide trennt, sind seine Alternativen wesentlich besser zu beherrschen.
Zwei Entscheidungen statt einer
Entscheidung 1: Das Führungsproblem
Die Zielsetzung: Das Unternehmen soll wieder erfolgreich geführt werden.
Entscheidungsauslöser: Der Geschäftsführer veruntreut Firmengelder und vertreibt die fähigsten Mitarbeiter-> Wie schaffe ich es, dass mein Unternehmen wieder auf Wachstumskurs kommt?
Die Entscheidung für dieses Problem ist einfach. Es gibt zwar mehrere Alternativen, aber Bremer entscheidet sich, dass sowohl Mitarbeiter als auch Kunden wieder den Unternehmer am Ruder sehen wollen. Daher wird er für die kommenden fünf Jahre wieder selbst die Geschäftsführung übernehmen.
Entscheidung 2: Das Problem mit dem Freund
Die Zielsetzung:
- Ein guter Freund soll mir erhalten bleiben.
- Ich möchte ein gutes Gefühl haben, wenn ich meine Entscheidung getroffen habe
Entscheidungsauslöser: Mein Freund Hauf ist alkoholabhängig. Er hat mich betrogen und hintergangen. Seit Jahren habe ich alles nur Erdenkliche getan, um ihm zu helfen. Leider hat es ihm am Willen gefehlt, sich zu ändern. Wie löse ich meinen inneren Konflikt, damit ich mich dauerhaft besser fühle?
Nachdem Bremer den Entscheidungsauslöser für sich aufgeschrieben hatte, wurde ihm klar, dass seine Zielsetzung (1.) unmöglich zu erfüllen ist. Denn Hauf ist kein guter Freund. Denn dann würde er sich anders verhalten und diese Entscheidung müsste nicht getroffen werden.
Seine Alternativen, die sich ihm dann boten:
- Ich zeige Hauf an und fordere zivilrechtlich die unterschlagenen Gelder zurück.
- Ich zeige Hauf an und belasse es dabei.
- Hauf muss gehen und er zahlt die unterschlagenen Gelder zurück. Dafür zeige ich ihn nicht an.
- Ich setze Hauf lediglich vor die Tür und das war’s
- Im Geiste der vergangenen Freundschaft soll Hauf als Berater für das Unternehmen weiter arbeiten.
Bremer hat sich am Ende für Alternative (1.) entschieden. Denn ihm war klar geworden, dass er sich jahrelang selbst getäuscht hatte.
Was ihn am Ende von dieser Täuschung befreite war die Frage: Wo soll mein Unternehmern in zehn Jahren stehen? Wie denke ich darüber in zehn Jahren, wenn ich alles so weiter laufen lasse und wie denke ich über die Entscheidung in zehn Jahren, wenn ich heute einen harten Schnitt mache? Er verglich seine Optionen also mit seiner Vision. Das schafft Klarheit.
* Die hier geschilderten Fälle sind verfremdet sowohl in den Namen der beteiligten Personen als auch Branchen. 🙂 Ich habe diesen Artikel ursprünglich schon am 7.12.2006 veröffentlicht. Allerdings halte ich ihn für so wichtig, dass ich ihn heute noch einmal aktualisiert auf die Titelseite setze. 🙂
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