Für flexible Entscheidungen schwärmen
Viele Entscheidungen, die wir treffen, führen nicht direkt zu einer Handlung, sondern zu weiteren Entscheidungen. So müssen wir nach dem Entschluss, in den Urlaub zu fahren, darüber nachdenken, wohin die Reise geht, welchen Veranstalter wir wählen, wo wir wohnen werden, was wir alles sehen wollen, etc.
Ich nenne so etwas einen Entscheidungsschwarm.
Schwärme bringen die Wissenschaftler in den letzten Jahren immer wieder zum Staunen. Denn zum einen sind sie Überlebenskünstler und zum anderen finden wir eine sog. Schwarmintelligenz wieder, die dem einzelnen Fisch oder der Ameise fehlt. Ameisenvölker lösen beispielsweise sehr komplexe Aufgaben, um wesentliche größere Insekten zu erlegen oder ihren Bau gegen Feinde zu verteidigen. Starenschwärme “erledigen” Raubvögel, in dem sie sie in die Mitte nehmen und so dicht fliegen, dass der Räuber nicht mehr fliegen kann und wie ein Stein abstürzt.
In diesem Artikel geht es mir um Intelligenz eines flexiblen Entscheidungsverhaltens. Pläne sind schnell überholt, weil sich die Welt bereits zum Zeitpunkt ihrer Verabschiedung verändert hat. Wir selbst aber können dazu beitragen, dass unserer Entscheidungsschwarm intelligent ist, wenn wir uns an dem Erfolgskonzept der “echten” Schwärme orientieren.
Es gibt keine zentrale Instanz, die das Verhalten des Schwarms steuern würde, sondern lediglich einige Regeln, nach denen sich seine Teilnehmer richten.
Regel 1: Der Schwarm hat ein Ziel
In der Natur sind das zum Beispiel die Futter und Laichgründe. Bei unserer Urlaubsentscheidung könnte das Ziel sein, sich zu erholen und und die „Batterien wiederaufzuladen“.
Regel 2. Der Schwarm ist größer als die Zahl der äußeren Räuber und Gefahren
Im Schwarm geht es nicht um das Überleben des einzelnen, sondern darum, dass er sein Ziel erreicht. Damit das gelingt, muss er mehr Mitglieder haben als Feinde ihm Schaden zufügen können. Unsere Entscheidungen haben nicht per se Feinde. Aber je unsicherer die Welt ist und je unplanbarer, desto mehr unserer eigenen Aktivitäten erweisen sich als wirkungslos, werden neutralisiert. So könnte ein Streik unser Bus und Bahnticket vor Ort nutzlos machen. Neue Entscheidungen müssen dann getroffen werden, wie zum Beispiel je nach Sehenswürdgkeit auf Fahrrad, Taxi oder Mietwagen auszuweichen. Damit unser Schwarm erfolgreich ist, müssen wir einfach mehr Aktivitäten entfalten und mehr Entscheidungen treffen (Schwarmgröße) als ein vorgefertigter Plan jemals vorsehen könnte.
Regel 3. Das Gesetz der Flexibilität
Die einzelnen Teilnehmer des Schwarms agieren autonom und reagieren jeweils auf die äußeren Anforderungen. Kein Fisch im Schwarm denkt vermutlich darüber nach: “Oh Nein! Schon wieder ein Hai! Das vermiest mir jetzt den Tag.” Die Fische weichen aus und einige finden dabei ihr Ende. Aber der Schwarm überlebt und setzt seinen Weg fort.
Für unsere Reise bedeutet das eben, dass wir akzeptieren, dass Dinge wie ein Streik passieren und wir gehen damit flexibel um, anstatt darauf zu pochen, dass es wie geplant laufen soll. Manchmal müssen wir eben flexibel sein, solange wir das Ziel nicht aus den Augen verlieren.
Regel 4. Opfer sind unvermeidlich
Der Schwarm „weiß“, dass es Opfer geben wird. Solange dabei der Schwarm sein Ziel erreicht, ist das absolut OK. Für uns als Entscheider geht es nicht ganz so martialisch zu. „Opfer“ bedeutet einfach, dass nicht alles was wir planen eine Wirkung hat.
Manchmal passiert das gleich mit einer ganzen Folge von Entscheidungen und Aktivitäten. So kann der Streik während unseres Urlaubs dazu führen, dass alle Mietwägen weg sind und die Taxis nur sehr eingeschränkt verfügbar sind.
„Opfer“ sind unvermeidlich und manchmal eben gehäuft. Das bedeutet nicht, dass der Schwarm als Ganzes in Frage steht. Wir können trotzdem einen erholsamen Urlaub haben. Vielleicht organisiert unser Hotel eine Fahrt im Privatbus oder wir können uns mit anderen Urlaubern zusammenschließen.
Regel 5. Lernen heißt erfolgreich sein
Es gibt zwar Opfer, aber die Umgebung des eben erwischten Fisches kann daraus lernen und beim nächsten Angriff noch flexibler reagieren. „Wer immer wieder das Gleiche macht und ein anderes Ergebnis erwartet“, handelt pathologisch (krank). Das können wir immer mal wieder lesen. Tatsächlich kann es ja sinnvoll sein, wenn wir es beim ersten Mal aufgrund eines Fehlers nicht hinbekommen haben, es noch ein zweites Mal zu versuchen.
Wenn aber der Taxifahrer nicht auf Beschimpfungen reagiert, sollten wir nicht weiter an der Funktionsoptimierung arbeiten, sondern über einen Prozessmusterwechsel nachdenken. 🙂 In diesem Fall vielleicht mit einem Geldschein wedeln. 🙂
Regel 6. Vermeide Kollisionen.
Die Fische eines Schwarms halten immer Abstand zum nächsten Fisch. Wenn wir es gerade mit “Beschimpfung” versucht haben, macht es keinen Sinn, den gleichen Taxifahrer mit einem Geldschein motivieren zu wollen. Wir gehen daher zum nächsten Taxistand und probieren unsere neue Aktivität im „sicheren Abstand“ aus, um den Misserfolg der vorherigen Handlung nicht auf die neue durchschlagen zu lassen.
Regel 7. Der Schwarm zählt
Der Sinn des Schwarms ist sein Überleben, um das Ziel zu erreichen. Auch wenn es massive Angriffe auf ihn gibt, löst er sich nicht auf, sondern alle Fische blieben zusammen.
Wir sind in den Urlaub gefahren, um uns zu erholen. Wenn uns plötzlich ein Kollege anruft, weil er eine Frage hat, dann müssen wir daraus nicht ableiten, dass wir uns selbst involvieren. Das wäre so, als würden einige Fische des Schwarms nur zufällig mitschwimmen und wenn sich anderes ergibt eine klaffende Lücke hinterlassen. Entscheider sollten ihren Zielen gegenüber loyal sein. Nur dann können sie sie erreichen.
Probieren Sie es doch aus!
Natürlich haben alle Vergleiche ihre Schwächen. Allerdings konnten Wissenschaftler das intelligente Verhalten von Schwärmen allein durch Befolgung der Regeln in einer Computersimulation nachbilden.
Vielleicht können wir unseren Entscheidungen dadurch auch eine Supraintellienz einhauchen? Probieren wir es doch einfach diese Woche einmal aus. Oder wir warten auf den nächsten Urlaub. 🙂
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