Reich und intelligent – das perfekte Opfer eines Betrugs
»Mich legt keiner so leicht aufs Kreuz! Bei mir beißen Betrüger auf Granit!«
Im Internetzeitalter lassen wir uns nicht mehr so leicht hinters Licht führen. Einmal gegoogelt und gebingt und schon wissen wir, was wir von dem windigen Anlageberater zu halten haben. Dank Smartphone können wir das auch schnell mal machen, während wir das stille Örtchen aufsuchen.
Sitzen also nur noch die leichtgläubigen Dummen einem Betrug auf? Der Fall des Milliardenbetrügers Berny Madoff bewies das genaue Gegenteil. Hier hat die Elite Amerikas investiert. Madoffs reiche Clienten waren tatsächlich davon überzeugt, dass der Betrüger Renditen jenseits von 70 Prozent(!) erzielen kann.
Zutaten für den perfekten Betrug
Ein Investmentbanker hat mir vor einigen Jahren verraten, warum gerade Menschen, denen wir es nicht zutrauen würden, Betrügern aufsitzen.
An Informationen und Durchblick hat es dabei selten gefehlt. Einfältige Menschen gehen Anlagebetrügern eher selten auf den Leim. Tatsächlich sind selbstsichere, intelligente und gut verdienende Menschen besonders gefährdet.
Was wie das Gerechtigkeitsprogram von Rot-Grün klingt, hat seine Gründe.
Günstige Persönlichkeitsstruktur
Denn der Betrüger setzt darauf, dass sich seine Opfer gegenüber dem Rest von uns überlegen fühlen. In einer etwas verdrehten Logik ist das auch schnell plausibel: »Ich als Übermensch gehöre zu einem exklusiven Kreis, für den die Regeln der dummen Normalbürger nicht gelten. Daher würde Max Mustermann niemals diese Chance ergreifen, selbst wenn er es könnte.«
Der besondere Dreh: Der Betrüger spannt hier sein Netz, indem er Exklusivität schafft. Nicht jeder darf von ihm übers Ohr gehauen werden. Oft müssen sich die Opfer erst einmal auf die Hinterbeine stellen, Empfehlungen einholen, vielleicht sogar eine Vorabprämie zahlen, um überhaupt in den “exklusiven Investorenkreis” vordringen zu können.
Auf diese Weise wird das gesunde Misstrauen verdrängt. Denn es erscheint unwahrscheinlich, dass ein Betrüger den Zugang zu seinen Geschäften erschweren würde. Stattdessen fühlt sich das Opfer zurückgesetzt. »Wenn der Müller und der Schneider dabei sind, kann es doch nicht sein, dass ich nicht mitmachen darf.«
Wer schon dabei ist, prahlt damit und empfiehlt sein Investment weiter. Die Mitgliedschaft im elitären Club ist schließlich ein Statussymbol.
Die Persönlichkeitsstruktur des Opfers lässt es auch nicht zu, dass andere ihn vor seinem Fehler warnen könnten. Er fühlt sich seiner Umgebung überlegen und Warnungen von Freunden und Partnern sind da nur lästig.
Das Internet ist keine Hilfe für die Opfer
Das Internet nutzt dem Betrüger sogar. Denn er kann seine Opfer wesentlich einfacher ausforschen. Die Opfer finden dagegen erst Informationen, wenn ihr Geld schon futsch ist. Dann, wenn der Betrug auffliegt.
Zeitlose Trickser
Faule Tricks dieser Art gibt es wahrscheinlich schon so lange, wie es Geld gibt.
Einen besonders interessanten Fall findet sich im 15. Jahrhundert. Opfer ist einer der reichsten Kaufleute seiner Stadt. Der Betrüger ist kein Geringerer als Kaiser Maximilian I.
Kennst Du die erfolgreichste Unternehmerfamilie aller Zeiten? Nein, es sind nicht die Albrecht-Brüder.
Obwohl auch die Fugger-Brüder aus Augsburg ihre Handels-Geschäfte auch schon früh aufgeteilt hatten.
Eine Generation später gab es die Fugger von der Lilie mit ihrem Familienchef Jakob Fugger. Sie wurden im 15. Jahrhundert so reich, dass sie nach heutigen Maßstäben alle Dax 30 Unternehmen hätten besitzen können.
Sein Vetter Lukas war das Oberhaupt der Fugger vom Reh. Dieser Familienzweig war zunächst sogar noch ein bisschen erfolgreicher.
Als Kaiser Maximilian I. Geld brauchte, wandte er sich deshalb an die Fugger vom Reh.
„Lukas, ich brauche 10.000 Gulden!“
Das war damals viel Geld. Genauer gesagt, es war alles, was Lukas hatte.
„Ich weiß nicht so recht, Max. Was bekomme ich denn als Pfand?“
Dazu muss man wissen, dass die damaligen Fürsten sich gerne Geld liehen und es nicht zurückzahlten. Seinen Kaiser konnte man schlecht in den Schuldturm stecken. Also wurde vorab ein Pfand vereinbart. Üblich waren Gold- oder Silberminen. Die Verleiher machten dabei immer einen guten Schnitt. Doch Maximilian hatte eine geniale und zugleich verführerische Idee.
„Luke, was hältst du davon, wenn ich Dir Leuven als Pfand überlasse?“
Im 15. Jahrhundert war die belgische Stadt Leuven reich. Sie war ein fürstlicher Pfand.
Lukas sah sich schon als Besitzer einer ganzen Stadt. Das hatte noch kein Händler vor ihm zustande gebracht.
„Max, das machen wir!“
Was denkst Du? Wärst Du auch auf diesen Deal eingegangen? Hättest Du auch gerne eine ganze Stadt besessen?
Der Kaiser bekam also sein Geld. Verpulverte es im nächsten Krieg und zahlte natürlich nichts zurück.
Lukas ging nach Leuven. Doch die freien Leuvener Bürger dachten gar nicht daran, für die Schulden ihres fernen Kaisers in Wien aufzukommen. Auf dem Papier hatte Lukas eine ganze Stadt. Faktisch war der Pfand aber nichts wert.
Immer wieder sprach er deshalb verzweifelt beim Kaiser vor.
„Eure Majestät, die Leuvener wollen mir kein Geld geben. Bitte zahlt Ihr mir doch das Geld zurück.“
„Luke, wir haben einen Pfand vereinbart und es schmerzt mich sehr, dass ich Leuven an Dich verlieren musste. Aber das ist jetzt Deine Sache. Mir sind die Hände gebunden.“
„Dann gehe ich unter. Könnt Ihr nicht doch etwas für mich tun?“
Maximilian überlegt kurz. „Luke, ich mag Dich. Angesichts Deines Schicksals will ich Dich und Die Deinen zu Königen machen.“
„Wirklich?“
„Ja! Fortan sollen die Fugger vom Reh Titularkönige von Atlantis sein! Und Anspruch auf alle Schätze und Reichtümer des Landes haben.“
Nur schade, dass Atlantis ein paar Tausend Jahre früher schon untergegangen ist und keiner weiß, wo es gelegen hat.
Entscheide lieber schlau und konservativ
Als überaus erfolgreicher Unternehmer hat Lukas sich wahrscheinlich auch überlegen gefühlt und Gespräche mit dem Kaiser waren nur einer ganz kleinen Elite vorbehalten. Insofern sehen wir hier die gleichen Zutaten wie bei Berny Madoff.
Mit dem kleinen Unterschied, dass alle Welt über den unglücklichen Fugger gelacht hat und Berny Madoff für den Rest seines Lebens im Gefängnis saß, während Kaiser Maximilian I seine Geschäfte fortan mit den Fuggern von der Lilie machte.
Lukas’ Vetter Jakob Fugger war sogar über Jahrzehnte der wichtigste Geldgeber der Habsburger. Aber er verließ sich lieber auf praktisch ausbeutbare Pfänder und wurde zeitweilig zum größten Montanunternehmer seiner Zeit.
Für uns kann das nur heißen: Selbst mit Betrügern können wir gute Geschäfte machen, solange wir auf der richtigen Seite des Deals sitzen. Setze niemals alles auf eine Karte und denke immer daran, dass Exklusivität noch keinem Betrüger geschadet hat.
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