Tausend Richtungen
Entscheidungen geben unserem Handeln eine Richtung. Das ist alles, was wir über Entscheidungen wissen müssen. Der Rest ist Logik und gesunder Menschenverstand.
Die Alte im Zug
“Kai, Du hast einen Wunsch frei. Was wünscht Du Dir?”
Eine merkwürdige Situation. Ich sitze im ICE nach München. In Nürnberg muss diese umwerfend aussehende alte Dame mit ihrer 30 cm Hochsteckfrisur eingestiegen sein. Trotz ihrer Million Falten sah sie einfach großartig aus. Das ist es wohl, was Charisma ausmacht.
Ich hatte gar nicht gemerkt, wie sie sich neben mich gesetzt hatte. Aber Sie kannte meinen Namen und stellte mir diese Frage. “Was wünscht Du Dir?”
Das ist eine gute Frage! Wie jeder andere auch, könnte ich mir einen feuerroten Ferrari, eine Weltreise, eine Million Euro wünschen oder was man sonst so haben will.
“Was ist der Haken?” Es kann ja nicht sein, dass ich einen Wunsch erfüllt bekomme, ohne dass eine Gegenleistung erwartet würde.
“Es gibt keinen.” Die Dame versuchte, eine weiße Haarlocke zurück in ihr Haarkunstwerk zu stecken. Sie war ihr ins Gesicht gefallen und gab der Super-Oma ein leicht verwegenes Aussehen.
“Ich schließe kein Abo ab und ich will auch keine Aktien kaufen.” Die Dame schaute mich ernst an. In ihren Augen lag die Weisheit von Jahrtausenden. Na gut, wahrscheinlich war sie nur in den 80ern, aber mir kam sie in diesem Moment unendlich alt vor.
“Ich kann Dir nicht erfüllen, was Du Dir nicht wünscht.”
Jeder Wunsch wird erfüllt
Ich musste eine Entscheidung treffen. War die Alte verrückt oder was sollte das sonst sein? Merkwürdigerweise war ich bereit, der Alten zu glauben.
“Also wie funktioniert das? Ich wünsche mir etwas und Puff, mein Wunsch geht in Erfüllung?” Sie lächelte und mir lief ein kalter Schauder über den Rücken. Denn irgendwie wirkte sie in dem Moment, wie eine Katze, kurz vor ihrem Spiel mit der Maus. Ich hatte eine gute Vorstellung, was meine Rolle dabei war.
“Jeder Wunsch wird erfüllt.” Ihr anfängliches Lächeln war inzwischen einem breiten Grinsen gewichen.
“Das ist alles?” Sie hatte meine Frage nicht beantwortet. Aber irgendwie spürte ich einen inneren Widerstand, energischer nachzufragen.
Das Schlitzohr
“Ja, das ist alles. Also Kai, was wünscht Du Dir?” Was sollte ich mir wünschen? Ein Wunsch ist ja nicht gerade üppig. In den Augen der Alten konnte ich lesen, dass ich besser nicht nach unendlich vielen Wünsche fragen sollte. “Was ist, wenn ich mir tausende weitere Wünsche wünsche?” Ihr Gesicht wurde noch runzeliger, wenn das überhaupt möglich war. Wieder diese alten Augen, aus denen diesmal die blanke Gefahr sprach.
“Alles hat seinen Preis. Willst Du mir wirklich tausend Mal begegnen?” So ein Wunsch ist eine coole Sache, aber ich hatte eine Vorahnung, dass schon unsere zweite Begegnung gefährlich werden würde.
“Wenn ich es mir genau überlege, vielleicht lieber nicht!”
Der Wunsch
“Dann sag mir endlich Deinen Wunsch.”
Ich dachte angestrengt nach. “Ich wünsche mir, dass ich meine eigenen Wünsche selbst ganz leicht und problemlos umsetzen kann.”
Ich sah den Schalk in ihren Augen. Doch es war zu spät …
Ich wachte vom Geräusch der Bremsen auf, als der ICE in den Bahnhof fuhr. Ich musste geträumt haben. Gott sei Dank! Auf meinem Schoß fand ich einen Glückskeks. Der Zugbegleiter musste ihn mir dorthin gelegt haben. Nachdenklich brach ich ihn auf und las die Botschaft. “Der Weise vertraut auf sich selbst und wünscht sich, frei von Selbstzweifeln zu sein”.
Selbstverantwortung
Tja, das wäre schön. Aber als ich so in mich hineinfühle ist es anders als sonst. Meine Selbstzweifel, die mich mein Leben über begleiten, haben mich verlassen. Wie der Traum von der alten Dame sind sie weg. Ein Wunder?
Märchen und Sagen, in denen der Held zwischen einem und drei Wünschen frei hat, sind so alt wie die Menschheit. Gerne würden wir einem übernatürlichen Wesen begegnen, das unsere Wünsche deus ex machina einfach so erfüllt.
Dabei ist es gerade die Selbstverantwortung, mit deren Hilfe wir unsere eigenen Wünsche umzusetzen. Alles, das es wert ist zu haben, müssen wir uns verdienen. Wir müssen dafür arbeiten, wir müssen dafür kämpfen und nur dann bedeutet es auch etwas.
Selbstverantwortung befreit uns allerdings auch von Selbstzweifeln. Unsere Zweifel stammen noch aus einer Zeit, als wir darauf angewiesen waren, dass uns Eltern und Lehrer Mut zusprachen. Selbstverantwortung und externe Motivation schließen sich aber gegenseitig aus.
Wer aus freien Stücken die Verantwortung übernimmt, akzeptiert, dass er für seine Fehler einsteht. Genauso, wie er auch von seinen Erfolgen profitiert.
Tausend Entscheidungen, eine Richtung
In den Wunsch-Märchen steckt noch eine andere Weisheit, über die ich hier im Blog bereits mehrfach geschrieben habe. Haben wir tausend Wünsche, werden wir keinen Erfolg haben. Es fehlen Fokus und Motivation.
Entscheidungen geben unserem Handeln eine Richtung. Treffen wir tausend Entscheidungen und haben tausend Wünsche, dann gehen wir in tausend Richtungen. Treffen wir dagegen tausend Entscheidungen und haben dabei nur einen Wunsch, dann zeigen alle unsere Entscheidungen in dieselbe Richtung. Was bedeutet das für unseren Erfolg?
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