SPD: Wenn eine Programmkommission entscheidet

© Vasiliy Yakobchuk - FOTOLIADemokratie hat immer mit sich bewegenden Massen zu tun und so versuchen die Parteien mit dem Wandel Schritt zu halten. Alle Parteien feilen derzeit an Ihren Programmen, weil sie feststellen, dass die Wähler sie nicht mehr so mögen wie früher. Für mich persönlich ist der politische Inhalt dieser Programme zumindest innerhalb dieses Blogs egal. Als guter Entscheider 🙂 weiß ich, was ich will und ich weiß auch, dass keine Partei dies auch nur annäherungsweise abdeckt 🙁

Wenn man sich die neue Programmatik ansieht, kommt man unweigerlich auf die Idee, dass dies eigentlich die alte Programmatik der Vor-Schröder-Ära ist. Etwas keck läßt die Partei den Begriff „demokratischer Sozialismus“ hoch leben und die Zielgruppe ist die „solidarische Mehrheit“. Das zeugt gelinde gesagt von Mut. Den braucht Deutschlands älteste Partei auch, denn sie bekennt, dass sie mit dem Schröder-Kurs der SPD als Partei der Mitte nicht zurecht gekommen ist. Schröder war innerhalb der SPD ein Revoluzzer und hat viele ihrer Wertvorstellungen auf den Kopf gestellt. Er hatte die SPD mit einem Ruck ein Stück weit in das bürgerliche Lager bewegt, mit dem Erfolg, dass CDU/CSU und FDP keine eigenen Mehrheiten mehr organisieren konnten.

Allerdings konnte diese Strategie nur eine begrenzte Zeit funktionieren. Denn Schröder hat zwar den rechten Rand der SPD um sich geschart und mit diesem Politik gemacht, aber der ist naturgemäß sehr dünn. So fehlte es bald am richtigen Personal. Für den durchschnittlichen SPD-Politiker war das alles schon ein Stück weit suspekt, aber damals (1998) wollten wohl alle nur eines, an die Macht und die 16-Jährige Ära Kohl beenden. Der linke Rand der SPD wollte zwar auch an die Macht, war aber damals nur durch die Idee der der Doppelspitze mit Oskar Lafontaine ruhig zu halten. Wir erinnern uns, dass es lange offen war, wer als Kandidat in die Schlacht ums Kanzleramt eintreten würde. Den Ausschlag gab damals das überzeugende Votum der niedersächsischen Wähler.

Für eine gewisse Zeit ging das Ganze gut. Denn die SPD hatte sich ja nicht verändert, es waren immer noch dieselben Linken da und wurde jetzt von Schröder geführt, der es schaffte, der Partei am rechten Rand die Stimmen den bürgerlichen Lagers zu verschaffen. Allerdings hatte die Sache einen Pferdefuß. Denn zunächst durften sich zwar alle in der Partei programmatisch austoben, man denke an die Rücknahme der Rentenreform der Vorgängerregierung oder an die Erweiterung des Gesetzes zur betriebliche Mitbestimmung. Doch spätestens im Jahr 2000 kam der Katzenjammer. Denn mit der Konjunktur ging es abwärts und mit der Arbeitslosigkeit wieder aufwärts.

Mit den Schwierigkeiten stand die Partei an einem Wendepunkt. Der eine Kurs bedeutete bürgerliche Mitte und in gewisser Weise konservative Politik mit teilweise schmerzhaften Reformen (Agenda 2010), der andere Kurs hieße einen traditionellen SPD-Kurs fahren mit viel Sozialpolitik, um die Härten einer lahmenden Konjunktur abzufedern. Schröder konnte sich damals zugunsten seiner eigenen Glaubwürdigkeit durchsetzen und verschaffte der SPD damit ein Problem, das sie nie zuvor gehabt hatte. Sie war gegenüber der eigenen Klientel unglaubwürdig geworden. Plötzlich gab es jede Menge Platz am linken Rand, den heute die Linkspartei füllt.

Aus Sicht der SPD ist dieser „Rückschritt“ in der Programmatik also eine Rückkehr zur politischen Glaubwürdigkeit und damit wahrscheinlich auch sinnvoll.

Warum nur „wahrscheinlich sinnvoll“?

Ich bin nicht überzeugt, dass die SPD die Auseinandersetzung mit der Linkspartei gewinnen kann. Wer in seinem Kurs schlingert, dem wird wohl kaum visionäre Kraft und Meinungsführerschaft nachgesagt. Man kann vieles über die Linkspartei sagen, aber sie ist immer bei ihren Idealen geblieben. Man mag politisch anderer Meinung sein, man mag auch ablehnen, dass im Rahmen der „kommunistischen Plattform“ immer noch SED-Altkader ihr Unwesen treiben. Aber gegenüber ihren Wählern hat die Linksaußen-Partei den Kurs nur in Maßen angepasst.

Da liegt meiner Ansicht nach die Gefahr für die SPD. Sie hat nach derzeitigen Umfragewerten weniger als 30 Prozent der Wähler. Davon kommt ein gewisser Teil aus dem bürgerlichen Lager. Für die SPD kommt es jetzt darauf an, ob sie der Linkspartei (und den Grünen) mehr oder zumindest gleich viel Wähler abjagen kann, wie sie innerhalb der bürgerlichen Mitte verliert. Allein von der Metrik her, halte ich das zumindest für unwahrscheinlich. Denn in der moderaten politischen Mitte tummeln sich weitaus mehr Wähler als am linken Rand.

Zudem sind sowohl CDU/CSU, wie auch die FDP politisch weniger wettbewerbsfähig beim Kampf um ihre Wähler, als es vermutlich die Linkspartei ist. Denn auch die Union fährt derzeit einen Schlingerkurs und viele Wähler bekennen sich derzeit nur zur FDP, weil ihnen das eigenartige Verhältnis zwischen der Union und der SPD in der großen Koalition suspekt ist.

Mein Fazit zu dieser Entscheidung: Der neue Weg führt die SPD zwar zurück in ihre eigene Mitte und damit zurück zur Glaubwürdigkeit, aber es könnte in strategischer Hinsicht ein gefährliches Spiel sein, das sie mittelfristig mehr Wählerstimmen kosten wird, als sie hinzu gewinnen kann.

5 Kommentare
  1. Patrick
    Patrick sagte:

    Schöne Analyse… In Zeiten einer Großen Koalition, in der die CDU eine fast schon eine linksliberale Familienpolitik propagiert könnte sich dieser Schritt aber auch als richtig erweisen. Sicher dürfte sein: Je näher die nächsten Wahlen rücken, desto mehr werden die Parteien ihr Profil schärfen und nach Abgrenzungspunkten suchen.

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  2. Kai-Jürgen Lietz
    Kai-Jürgen Lietz sagte:

    Vielen Dank! Was die Union so macht ist nicht wirilich leicht zu sagen. Da ist schon ein recht weiter Spannungsbogen zwischen Schäuble und Von der Leyen.

    Warten wir mal ab, was die Parteien aus der derzeitigen Gemengelage machen. 🙂

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  1. […] kurzem hatte ich darüber geschrieben, dass die SPD wieder zu ihrer Basis zurückkehrt und dies möglicherweise riskanter ist, als die Verantwortlichen […]

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